Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 66


Der habsüchtige Oberste von Kapernaum.

01] Sagte Ich: ”Nicht gar zu viel von besonderer Bedeutung! Aber er komme und erzähle es euch selbst!“

02] Da kam der Wirt zu uns und erzählte: ”Der Oberste der Synagoge zu Kapernaum hat herausgeschickt um den Zehent der Fische, von denen er vernommen haben will, daß ich deren einen sehr reichen Fang gemacht und ihm davon keine Meldung gemacht habe, und ich soll ihm nun zur wohlverdienten Strafe den dreifachen Zehent von den Edelfischen geben. Es ist nur noch gut, daß er nicht weiß, daß die Fische am Abend eines Sabbats gefangen worden sind; so ihm das verraten worden wäre, da nähme er mir wahrlich alle Fische weg! Schade, daß der frühere Oberste weggekommen ist, - der war ein recht guter Mann; aber der ist für uns eine wahre Plage und behandelt die Menschen nahe also, als wären sie alle pur seine Sklaven! O Herr, wäre denn diesem Übel nicht zu steuern?“

03] Sagte Ich: ”O ja, und das auf eine ganz eigentümliche Art und Weise! Sende du nun einen Boten zum Obersten hin, und der soll zu ihm sagen, daß er zuvor die Fische in deinem Behälter soll abzählen lassen, damit du ihm dann nicht zuviel und nicht zuwenig des diktierten dreifachen Strafzehenten geben magst und kannst. Da wird er mit seinen Amtleuten bald da sein und die Fische zu zählen anfangen, - aber keine darin finden! Denn die Fische habe Ich geschaffen, kann sie wieder abschaffen und sie dann wieder schaffen. Wird er sich darüber aufhalten und dich beschuldigen wollen, als hättest du etwa die Fische alsbald hinweggeschafft, als dir sein Verlangen bekanntgemacht wurde, da verlange von ihm Zeugen dafür, oder du stellest dich unter den römischen Schutz. So er das hören wird, da wird er gehen und dir fürder keinen Strafzehent mehr auferlegen. Tue das, und es wird schon alles gut sein und werden!“

04] Sagte der Wirt: ”Aber nun ist auch das Mittagsmahl schon bereitet! Sollen wir das nicht vorher einnehmen, daß wir darunter nicht gestört werden durch den Obersten?“

05] Sagte Ich: ”Wir nehmen ganz ungestört das Mahl ein, - und wären auch hundert Oberste draußen mit dem Fischzählen beschäftigt! Er kann sich sogar zu uns hereinbegeben, so er will, und er wird ehest gerne sich mit heiler Haut von da nach Hause begeben.“

06] Als der Wirt solches von Mir vernahm, ward er sehr froh, sandte sogleich einen Boten an den Obersten, und wir gingen ans Mahl und waren dabei voll guter Dinge, besonders über die durch das Gewitter erfolgte Flucht der vielen Morgengäste.

07] Ich aber sagte nach dem Mahle zum Wirte: ”Nun kommt er schon; sieh du aber zuvor nach dem Behälter, und du wirst sehen, was für einen Fisch der Oberste darin finden wird!“

08] Der Wirt ging nun schnell hinaus und entsetzte sich selbst, als er statt der großen Edelfische die früher beim Gewitter gesehene Riesenschlange darin herumschwimmen sah.

09] Der Oberste aber wollte vom Fischzählen auch nichts mehr hören, als er des Ungetüms ansichtig ward. Daß infolge des angeführten Umstandes unser Wirt mit dem Obersten bald und leicht fertig wurde, ist begreiflich; denn von dem Ungetüm verlangte er weder einen einfachen und noch weniger einen dreifachen Strafzehent.

10] Als er dessen ansichtig wurde, wich er eiligst zurück und sagte (der Oberste): ”Da hat schon statt meiner dieses Ungeheuer den Zehent genommen! Ich hätte wohl sehr gerne ein paar Stücke von diesen Edelfischen auf meinem Tische gesehen, aber weil nichts mehr da ist, so muß es natürlich auch so gut sein. Wo nichts ist, da gibt es auch kein Gesetz und kein Recht, und so sind wir wieder gute Freunde; wenn du aber doch wieder einmal so einen Edelfisch fangen solltest, da laß mir ums Geld etwas zukommen! Denn so du nicht zehn Fische fängst, da gibt es ohnehin keinen Zehent. Aber nun schauen wir nur gleich, so recht weit vom Meere zu kommen; denn das Untier könnte sich aufs Land herauf bewegen und uns alle wie Fliegen wegschnappen! Denn es hat ja einen Rachen zum Häuserverschlingen!“

11] Darauf eilte er schnell nach Hause und ließ sich dann lange nicht sehen am Meere, da er vor dem Ungeheuer einen zu mächtigen Respekt bekommen hatte.

12] Sowie aber der Oberste hinweg war, da empfahl sich, noch im Angesichte des Wirtes, auch das Ungetüm von einer Wasserriesenschlange und schwamm in großen Krümmungen schnell in die hohe See hinaus, allwo es infolge des hohen Wellenganges nicht mehr sichtbar ward.

13] Darauf besah der Wirt allein den großen Fischbehälter, und dieser war, so wie zuvor, voll der schönsten Edelfische. Darauf kam er voll Freude wieder zu uns, aß und trank an unserem Tische und erzählte uns, was er gesehen, und wie er mit dem Obersten ganz gut abgekommen sei. Zugleich aber fragte er auch, in welcher Gegend des Meeres sich solche Ungeheuer vorzüglich aufhalten, damit man sie zu meiden wüßte; denn es wäre etwa doch nicht sehr geheuer, mit ihnen irgendwo zusammenzustoßen.

14] Da sagte Ich: ”Sei darum ohne Sorge! Dieses Untier wohnt in der möglichst größten Tiefe des Meeres und kommt etwa alle hundert Jahre bei höchst großen Stürmen zum Vorschein, die unter dem Wasser ihren Ursprung haben, was auf den Binnenmeeren eine höchst seltene Erscheinung ist. Dann und wann, wenn diese Untiere der Hunger antreibt, so sie in ihrer Tiefe zuwenig zum Fraße bekommen, kommen sie wohl ans Ufer und rauben da Schafe, Lämmer und Kälber, auch Eselsfüllen und Schweine; Menschen und größere Tiere aber greifen sie nur selten oder auch wohl nicht an. Aber von nun an wird es nie wieder zum Vorscheine kommen; denn seine Lebenszeit ist zu Ende; darum brauchst du dich auch nicht zu fürchten vor ihm. Dem Obersten aber übersende erst nach ein paar Tagen einen Edelfisch, und er wird sich damit ganz zufriedenstellen. - Jetzt aber kann wieder ein jeder eine Frage stellen, so er noch über etwas im unklaren ist; denn von morgen an werden wir etliche Tage hier ruhen und wenig reden von den geistigen Dingen!“

15] Sagten alle: ”Herr, es gibt nun beinahe nichts mehr, um was wir Dich noch fragen könnten; denn wir haben von Dir ohnehin schon über alles die allerweisesten Lehren bekommen!“

16] Sagte Ich: ”Nun ruhet, und denkt über die empfangenen Lehren nach!“



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