Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 129


Die geistige Reife der Erntehelfer Jesu.

01] Sagte Roklus: ”Ja Herr, nun verstehe ich's auf ein Haar; aber mir macht dieses Verständnis nun ein gar wehmütiges Gefühl! Was aber die gegenwärtig zu geringe Anzahl der gewissen Schnitter betrifft, so hast Du, o Herr, sicher noch der Raphaele in schwerster Menge im Hintergrunde. Diese könnten ja in der Gestalt des Raphael zu den Menschen treten und sie gleich also bekehren, wie der Raphael mich von meinem Atheismus auch ganz radikal bekehrt hat, und die ganze Sache wäre binnen wenigen Stunden auf der ganzen Erde abgemacht! Ich bin ja doch auch ein Mensch, und es hat mir diese Unterweisungsart nicht im geringsten geschadet; also wird sie auch allen andern Menschen ebensowenig oder vielleicht noch weniger schaden.“

02] Sage Ich: ”Ganz gut, Mein Freund, das wird zum Teil von nun an auch sehr häufig geschehen, aber nur an Menschen von deinen Kenntnissen, Erfahrungen und von deinem ganz nüchternen Gerechtigkeitssinne. Allein solcher Menschen gibt es eben nicht gar viele auf der Erde. Die möglich reinsten und besten von der ganzen Erde befinden sich nun samt und sämtlich hier; denn Ich habe es also gewollt, daß sie alle von weit und nah sich hier um Mich versammeln sollen.

03] Ich Selbst habe schon lange vorher ihre sämtlichen Umstände also vorgesehen und eingeleitet, daß sie denen zufolge gerade um diese Zeit allhier eintreffen mußten, um von Mir Selbst und von Meinen Engeln unterrichtet zu werden. Sie haben auch alle, gleich wie du, den Unterricht linea recta (geraden Weges) aus den Himmeln empfangen; aber das sind nun auch schon alle beisammen!

04] Für alle andern würde diese allerhöchste und geistig allernötigendste Unterrichtsweise gar nicht taugen und würde ihnen offenbar mehr schaden als nützen, weil sie alles das, was hier gelehrt wurde, als notwendige Folge der dabei geschehenen Wunder glauben müßten, wodurch es dann mit der freien Erkenntnis und mit dem freien Willen entweder für immer oder zum mindesten für sehr lange gar wäre. Bei euch fällt diese Sorge hinweg, weil ihr in gar vielen Dingen eine sehr wohlgegründete Erkenntnis und eine übergroße Erfahrung habt.

05] Sage, ob dich auch nur ein Wunder gewisserart in eine Verwirrung brachte! Du gingst bei deiner eigenen Wundermacherei lediglich von dem Grunde aus, daß es auf der ganzen Welt kein übernatürliches Wunder geben könne: aber es gäbe Menschen, die durch ihre Talente und Fähigkeiten so manches den geheimen Kräften der Natur abgelauscht haben, es dann selbst ins Werk setzen und also die andern Schafe von Menschen notwendig in ein höchstes Erstaunen setzen müssen, weil die von der allerweitesten Ferne hin gar keine Ahnung haben können, wie ein gesehenes Wunder mit ganz natürlichen Kräften stattfinden kann.

06] Für einen Menschen, wie du einer bist, ist gar kein Wunder bindend; denn er wird sich nur gar bald ganz geheim zu erkundigen anfangen und sagen: ”Cur, quomodo, quando, quibus auxiliis?“ (Warum, auf welche Weise, wann, mit welchen Hilfsmitteln?), wie es auch bei dir der Fall war. Es nahm dich die plötzliche Herstellung des ganz neuen Hauses, Gartens, des Hafens und der fünf Schiffe gar nicht ganz besonders wunder; denn du hast ja in Indien einen Magier kennen gelernt, der gleich ganze Gegenden auf einen Wink daherzauberte. Warum sollte es hier nicht jemand geben, der einen Garten samt Haus und den Hafen samt den Schiffen auf einen Wink herstellen sollte?!

07] Raphael hatte mit dir zu tun, um dich eines möglichen Bessern zu belehren; aber du warst damit dennoch nicht völlig zufrieden, sondern fingst gleich an, weiter zu forschen, und es mußte dir der geistige Grund ganz aufgedeckt werden, wie auf dem also rein geistigen Willenswege solch eine Tat als denkbar möglich sei. Solches ward dann dir und allen, die hier anwesend sind, bis auf den innersten Grund gezeigt, und du warst damit sicher zufrieden; denn sonst hättest du sicher nicht selbst den Beisatz beinahe nach einer jeden Erklärung gemacht und gesagt: ”Das ist mir nun handgreiflich klar!“ Und was du also beteuertest, das war dir auch klar; denn mit einer Unklarheit und mit einem Mysterium hattest du dich nie begnügt! Und sieh, wie du, so auch die ziemlich vielen hier; alle waren nicht zufrieden, nur die Oberfläche des Meeres zu schauen, sondern sie wollten es auch erfahren, was es in seinem tiefen Grunde birgt!

08] Und das ist recht also, denn nur solche Menschen, die schon eines höchst geweckten und hellen Verstandes sind, können solch eine tiefere Lebensoffenbarung erfassen und begreifen und dabei dennoch frei bleiben in ihrem Erkennen und Wollen, und nur solche Menschen kann Ich dann auch als wahre Schnitter auf dem großen Acker Meiner Menschensaat brauchen. Aber zähle du sie nun selbst, und du wirst für die große Erde ihrer wahrlich nicht zu viele finden!

09] Wenn Ich denn sage, a daß die Ernte reif und groß ist, es aber der Schnitter nur sehr wenige gibt , so wirst du nun hoffentlich den Grund davon schon auch ganz leicht einsehen. Für euch Fähigen habe Ich auch nichts im Hintergrunde behalten und habe euch gezeigt und enthüllt die ganze Unendlichkeit und die Ewigkeit in ihren Hauptzügen, so weit und so tief, als es für eure eben nicht sehr scharf verständigen Begriffe nur immer möglich war, und habe euch auch gezeigt bis zur Handgreiflichkeit klar, was euch dann erst Mein Geist in euch alles enthüllen wird. (a (aMatthäus.09,37; = Lukas.10,02;  ⇒ jl.ev01.132,01b*;  jl.ev01.030,05-08;  jl.ev07.166,05jl.ev08.077,16jl.gso1.061,07-08;  gm.pred.044))

10] Das alles aber konnte Ich, wie gesagt, nur euch zeigen und sonst nun wohl keinem Menschen mehr auf der ganzen lieben Erde, weil sie dazu die erforderliche vorurteilsfreie Fähigkeit gar nicht besitzen und noch gar lange nicht besitzen werden, weil sie einesteils noch zu sehr von allerlei Aberglauben gefangen gehalten sind und andernteils zu tief in den allerselbstsüchtigsten und schmutzigsten Weltgewinnsinteressen herumwühlen, und weil ihnen darum alle noch so rein geistigen Erscheinungen fürs erste gar kein Bedürfnis und fürs zweite nur etwas zum Leben gar nicht Nötiges sind und zumeist auch nur als etwas sehr Lästiges, den freien Handel und Wandel Hemmendes sich darstellen.

11] Willst du etwa zu denen einen Engel Raphael senden?! Ich sage es dir, eine und die andere Art dieser Menschen haben für solch außerordentliche Erscheinungen erstens keine Fähigkeit, zweitens keinen Sinn, und drittens würde ihnen so etwas um vieles mehr schaden als nützen!

12] Die Aber- und Blindleichtgläubigen würden das alles freilich wohl nur zu schnell glauben, sich aber von Mir und dem Raphael und am Ende sogar auch von euch, als Meinen Freunden, Abbilder machen, ihnen Tempel erbauen und uns dann gleich ihren Götzen verehren und anbeten. Die eigentlichen Weltsudelmenschen aber würden uns als Betrüger und arbeitsscheue Faulenzer hinwegtreiben, und würden wir sie mit der göttlichen Macht und Kraft zu behandeln anfangen, so würden sie uns dennoch nicht anhören, sondern als nach ihren Begriffen der menschlichen Gesellschaft sehr schädliche Feinde zu töten und auszurotten suchen, wie es Mir Selbst am Ende noch begegnen wird.

13] Du siehst nun aus dem ganz leicht, wie viele der tauglichen Schnitter wir nun auf der lieben, großen Erde zählen! Was anderes ist dann da wohl zu tun, als selbst Hand ans Werk zu legen und fest zu arbeiten, solange es nur immer des Tages heitere Helle gestattet; denn ist einmal die Nacht völlig hereingebrochen, so wird darin wohl niemand leicht zu arbeiten vermögen. Wir sind daher hier schon alle beisammen und werden heute bald nach dem Aufgange der Sonne samt und sämtlich unsere Hände an das große Werk legen.“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 5  |   Werke Lorbers