Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 77


Vom rechten und vom falschen Eifer.

01] Sagt Roklus: ”Ja, Herr und Meister über alle Wesen und Dinge, jetzt, durch diese Deine gnädigste Erklärung hat freilich bei mir alles ein anderes Licht bekommen, und es ist mir nun so manches früher unentwirrbare Rätsel völlig aufgelöst! Ja, nun fange ich auch so ein wenig an zu begreifen, was so ganz eigentlich ein Mensch ist, und was er in dieser Welt zu suchen und zu erreichen hat und nach Deinem Worte auch erreichen kann und eigentlich erreichen muß! Ja, nun ist es dann ein freilich höchst beseligend Leichtes, Deine Gebote zu halten und buchstäblich zu erfüllen Deinen Willen; denn jetzt sieht man und kann es sogar mit Händen greifen, was man von Dir aus notwendig erhalten muß! Denn so ich einen Ort noch so weit vor mir sehe und in der geradesten Richtung auf den Ort los- und zuwandle, so muß ich ihn endlich doch einmal erreichen!

02] Ich kann aber nun nichts anderes tun als vor allem für solche Deine Mühe mit mir Dir danken aus allen meinen Lebenskräften und Dir versichern, daß ich Dein allergewissenhaftester Jünger sein und bleiben werde. Ich gebe Dir auch die vollste Versicherung, daß ich alles aufbieten werde, um unser Institut von allen den alten Welt- und Lügenschlacken zu reinigen, und es soll in der Folge nichts mehr im selben vorgenommen werden als allein das nur, was sich mit Deiner Lehre, o Herr und Meister, vereinbaren läßt!

03] Schon jetzt fühle ich eine früher nie empfundene Kraft in mir, vor der im festen Vertrauen auf Dich alle Berge weichen und durch die alle Toten aus ihren Gräbern erstehen müßten! Was wird darauf erst dann folgen, so mein künftiges Leben ganz Dein Wille sein wird, und zu welcher Kraft wird unser Institut sich erheben, wenn alle Glieder desselben eines Sinnes und eines Willens sein werden?!

04] Darum nun keines Säumens mehr! Auf, und alle Hände in die Tätigkeit für dies neue Werk aus Gott gelegt! Wer da Säumens macht, begeht eine gröbste Sünde an dem Heile der gesamten Menschheit der ganzen Erde!“

05] Sage Ich: ”Dein Eifer ist nun schon recht, und du wirst das, was du dir nun vornahmst, auch durchsetzen; aber dieser dein gegenwärtiger Eifer ist noch sehr ähnlich einem Strohfeuer, das auch gleich in gar gewaltiger Flamme auflodert, daß man meinen sollte: wenn das so fortgeht, so brennt in wenigen Augenblicken schon gleich der ganze Erdboden! Aber in wenigen Augenblicken ist es mit dem großen Strohfeuer zu Ende, und man merkt es nachher kaum noch, wo der lockere, große Strohhaufen abgebrannt ward!

06] Der rechte Eifer steigert sich wie das Licht und die Wärme der aufgehenden Sonne. Würde das Licht und die Wärme der Sonne gleich mit einer afrikanischen Mittagsglut auftauchen am Morgen, so würde sie sehr verheerend wirken auf alle Pflanzen und Tiere, was ein jeder gute und erfahrene Landwirt schon aus den sogenannten Sonnenblicken ersehen kann.

07] Einen Sonnenblick aber nennt man, wenn bei einem Gewitter das Firmament dicht mit Regenwolken bedeckt ist und es bereits auch regnet; auf einmal aber, so bereits die Erde und ihre Früchte etwas abgekühlt sind, zerreißen die Wolken infolge irgendeiner Luftströmung, und der Sonne Licht und Wärme fällt plötzlich auf die Pflanzen und Bäume und auf allerlei zartes Getier, und sieh, der dadurch angerichtete Schaden ist dann größer, als so es eine Stunde lang so ganz tüchtig gehagelt hätte! - Ich führte dir dieses Beispiel nur darum vor, um dir so recht praktisch zu zeigen, wie ein gewisserart oft unzeitiger Eifer viel mehr verdirbt als irgend gut macht.

08] Daher wolle du in eurem Institute nun auch nicht alle alten und sehr morsch gewordenen Bäume gerade mit einem Hiebe aushauen, sondern mit einem redlichen Eifer ganz wie unvermerkt so nach und nach, und du wirst also erst den wahren Segen in deinem Institute verbreiten! Aber mit einem Schlage, mein Freund, geht das nicht! Dazu gehören noch mancherlei Besprechungen unter euch selbst und darauf erfolgte Erweisungen der neuen Wunderwerke in Meinem Namen! Und wenn so erst alle, nicht du allein, in dies neue Licht eingeführt wurden, dann erst läßt sich alles Alte mit dem besten Erfolge ausjäten.

09] Wenn ein recht weiser Landmann es merkt, daß da Unkraut mit dem reinen Weizen aufgeht, so läßt er das angehen bis zur Ernte. Beim Schnitte erst läßt er sondern das Unkraut von dem Weizen, und es bleibt ihm dadurch gesund der Weizen, und das Unkraut wird getrocknet und verbrannt auf dem Acker, und der Boden wird damit gedünget. Siehe, das nenne Ich Selbst weise und der Wahrheit gemäß gehandelt!

10] Glaube du es Mir, daß Ich mit ganz Jerusalem und seinen Pharisäern ebensoschnell fertig würde wie zuvor mit jenem Felsen im Meere; aber dieser Eifer würde Mir schlechte Früchte tragen! Dadurch würden dann alle, die erführen, daß Ich durch Meine göttliche Allmacht solch eine Verheerung angerichtet habe, wohl Mir zufallen, aber auf dem Wege der innern Überzeugung sicher nicht, sondern auf dem Wege des Selbstgerichtes. Aus Furcht und Zagen würde sich keiner mehr zu führen getrauen; ein jeder würde maschinenartig das tun, was Ich von ihm verlangte!

11] Wäre aber dann das eine Bildung des freien Willens als des Hauptgutes jeder Menschenseele und ein Erheben desselben zur höchsten Potenz des göttlichen, allerfreiesten Willens, in dem allein nur eine allerhöchste Lebensseligkeit besteht und bestehen kann?!“



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