Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 72


Die Erklärung des Wortes Sheoula (Hölle). Vom Hellsehen.

01] Sagt Roklus: ”Herr und Meister, ich habe nun gesehen, daß deine Weisheit und allergediegenste Einsicht in allen Dingen von einer nie ergründbaren Tiefe ist, und ich muß hier offen bekennen, daß du als ein purer Mensch solches unmöglich wissen und einsehen könntest, so du deinem Geiste nach an aller Schöpfung nicht den größten Anteil genommen hättest, und mir ist nun gar sehr vieles licht und überhelle geworden, was ich mir je vorher auch nie hätte denken können! Aber da du schon so gütig warst, mir so außerordentliche Dinge zu erklären, so ersuche ich dich, mir den Ausdruck 'Sheoula' und, sage, den ewigen Tod noch ein wenig näher zu erörtern; denn darin bin ich noch nicht völlig im klaren. Das heißt, ich verstehe die Sache so zur Not wohl; aber daß ich behaupten könnte, daß ich darin schon so ganz zu Hause sei, da würde ich mich selbst anlügen! Erkläre mir demnach diese erwähnten zwei Dinge ein wenig näher!“

02] Sage Ich: ”Nun so höre! She',auch shei oder shea heißt: 'es dürstet'; oul auch voul: 'der in sich selbst verlassene Mensch', man könnte sagen: 'Tiermensch' (Ochse); a: 'nach der Konsistenz dessen, was da ausmacht die innere Weisheit und Erkenntnis'.

03] Daß unter dem Buchstaben A, aber solches zu verstehen ist, bezeigt die Form der alten ägyptischen Pyramiden, die eine großmaßstäbige Nachbildung der Gehirnpyramiden sind, und deren Bestimmung es war, den Menschen zu Weisheitsschulhäusern zu dienen, wovon noch heutzutage ihr Name und ihre innere Einrichtung Zeugenschaft geben. Denn Pira mit dai heißt doch offenbar: "Gib mir Weisheit!" Und die innere Einrichtung war auch also bestellt, daß der Mensch, darin von der Außenwelt ganz abgeschlossen, in sein Inneres hat zu schauen anfangen müssen und finden sein innerstes Lebenslicht. Darum war es in den weiten inneren Gängen einer solchen Pyramide stets kohlpech- und rabenfinster, und es ward nicht eher helle, als bis der Mensch mit seinem innern Lebenslichte alles zu beleuchten anfing.

04] Dieses klingt dir freilich etwas seltsam. Allein es ist alles das dennoch also! Denn so einem Menschen die innere Gemütssehe geöffnet wird, da gibt es für ihn auf der Erde keine Nacht und keine Finsternis mehr. Einen sozusagen handgreiflichen Beweis liefern alle die sehr sensitiven und in einer Entzückung sich befindlichen Menschen. Diese sehen mit vollkommen geschlossenen Augen um sehr vieles mehr als sonst tausend Menschen mit den allerbesten, gesündesten und schärfsten Augen; denn diese sehen durch die noch so feste und undurchsichtigste Materie, sie schauen leicht durch die ganze Erde hindurch, und selbst die Sterne sind nicht so weit, daß sie, die recht Verzückten (magnetischen) Menschen, sie nicht klein zu durchschauen vermöchten.

05] Wie aber Menschen in den seligen Zustand der Verzückung kommen können - und das am Ende, wann und wie oft sie wollen -, das ward eben innerhalb der Pyramiden gelehrt und hauptsächlich sehr tätig geübt.

06] Weil denn die Pyramiden dazu dienten, so gab man ihnen auch den sehr richtigen und alles bezeichnenden Namen She`oul a. Davon nahm der alte Hebräer sein abgekürztes Sheol', der Grieche sein Schole, der Römer seine Schola, und der Perser und Indier sein Schehol (Meine Bemerkung: Sicher auch der Deutsche seine 'Schule'. Jakob Lorber).

07] Weil denn aber die alten Weisen in ihren verzückten Gesichten gar gut wußten, in welch einen sehr bedauerlichen Zustand die sehr materiellen, die Welt und sich selbst über die Maßen liebenden Seelen jenseits nach dem Abfalle des Leibes gelangen, so nannten sie eben solch einen bedauerlichen. Zustand auch She oul a, Hölle!

08] Daß ein solcher Zustand gegenüber dem Lebenszustande eines wahren Weisen in der Ordnung Gottes mit dem Ausdrucke 'Tod' bezeichnet ward, ist doch sicher ganz der Wahrheit gemäß. Und weil das eine ewig stets und notwendig gleiche und bleibende Eigenschaft alles dessen ist, was da 'Welt' und 'Materie' heißt, so wird es auch klar sein, warum man solches den 'ewigen Tod' genannt hat!

09] Solange denn eine Seele hier oder jenseits in solch einem Zustande verbleibt, ist sie auch offenbar im Zustande des ewigen Todes, von dem sich loszuwinden sicher eine höchst schwierige Lebensaufgabe ist! Manche Seele dürfte wohl ein Weltenalter zu tun haben, bis sie aus sich selbst wieder zu etwas kommen dürfte! - Sage Mir nun, ob du nun im klaren bist!“

10] Sagt Roklus: ”Ja, Herr und Meister über alles, nun ist mir auch das wahrhaft völlig klar; aber nun noch eine kleine Frage, und diese besteht darin, wie sich nämlich ein Mensch in den Verzückten, allsehenden Zustand versetzen kann! Wenn ich das noch wüßte, wenn nur die Wege dazu, so würde ich alles Erdenkliche aufbieten, um mich selbst auch von Zeit zu Zeit in einen solchen sicher höchst beseligenden Zustand zu versetzen! Herr und Meister über alle Dinge, habe die Güte und gib mir auch darin einige gute Winke!“

11] Sage Ich: ”Die Schulen Ägyptens sind eingegangen und bestehen in der Art und weise schon gar lange nicht mehr; denn zu Mosis Zeiten hat es darin sehr zu hapern angefangen. Schon damals fing man an, nur einen äußerlichen Unterricht zu erteilen, und ein Plato und ein Sokrates waren so ziemlich schon die letzten, die von der innern Lebensschule noch einen leisen Begriff hatten.

12] Ich aber bin ja nun darum in das Fleisch dieser Welt gekommen, um euch Menschen eine noch bessere Lebensvorschrift zu gehen, nach der ein jeder sich in die höchste Lebensweisheit versetzen kann. Und diese Vorschrift lautet ganz kurz: "Liebe Gott aus allen deinen Kräften über alles und deinen Nächsten wie dich selbst!" Wer das übt und vollauf tut, der ist Mir gleich und wird auch eben dadurch in alle Weisheit und ihre Kraft und Macht geleitet werden!

13] Denn wer voll Liebe zu Gott ist, in dem ist auch Gott mit Seiner unendlichen und unbegrenzten Liebe und mit deren höchstem Lichte gegenwärtig. Die Seele und ihr Geist schwelgen dann in allem Weisheitslichte aus Gott, und sie muß dann ja auch alles das schauen und erkennen, was das Licht Gottes sieht und erkennt. Und weil alle die ewigste Allmacht und Allkraft Gottes eben in Seiner unbegrenzten und unendlichen Liebe besteht, so darf die Seele in solcher göttlichen Liebe ja nur wollen mit dem Willen der in ihr herrschenden Liebe des Geistes Gottes, und es muß geschehen, was die Seele will! - Das ist so klar und wahr, als nur irgend etwas klar und wahr in dieser Welt sein kann.

14] Aber solches nur zu wissen und noch so lebendig zu glauben, genügt bei weitem noch lange nicht, sondern man muß das vollauf tun in allen noch so schwierigen Lebensverhältnissen und muß sich darin zu jeder Zeit üben; denn nur eine unausgesetzte fleißige Übung macht aus dem Jünger erst einen Meister!“



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