Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 17


Die Staatspolitik der Templer.

01] Sagt Zinka: ”Hoher Freund! Hoher Herr! Das sehen wir alles ganz vollkommen gut ein; aber wir sehen daneben noch etwas ein, was du nicht einzusehen scheinst!“

02] Sagt Cyrenius: ”Und was wäre das wohl?“

03] Spricht Zinka: ”Die liebe Staatspolitik ist's, der zufolge nahe zu allen Zeiten und in allen Landen der Erde die Priesterschaften ein gewisses Privilegium besitzen, demzufolge sie vieles tun können, was für die andere Menschheit ein Frevel wäre. Die Priester sind kühn genug, sich den anderen Menschen als förmliche Götter aufzudrängen und das angebliche Gotteswort nach ihrem Belieben vor allen Menschen im Munde zu führen. Und kein Mensch steht wider sie auf, und selbst der Kaiser muß solch freches Spiel mit freundlichen Augen ansehen, des altangewohnten Volksaberglaubens wegen, durch den die Menschen in der gewissen gehorsam demütigen Stellung erhalten werden und sich nicht erheben wider den König des Landes, so dieser demselben zumeist schwer zu haltende Gesetze gibt und so manchen schwer zu leistenden Tribut auferlegt.

04] Wird aber den Priestern gestattet, an der Stelle Gottes zu schalten und zu walten nach ihrem Belieben, so wird sich der Kaiser auch nicht gar absonderlich aufhalten, so diese Volksbetäuber im nötigen Falle manchmal heimlich oder auch öffentlich in des Monarchen Haut schlüpfen, in seinem Namen reden und sogar Gesetze erlassen, wenn sie so etwas als etwas Heilsames sowohl für den Herrscher, für seinen Staat und natürlich auch für sich erkennen, was besonders in jenen Provinzen um so verzeihlicher erscheinen muß, die von des Herrschers Residenz, wie das Judenheimatland hier, sehr weit entfernt sind.

05] Wenn der Kaiser sie wegen der falschen Vollmacht heute zur Rede und Verantwortung verlangt, so werden sie es ganz und gar nicht leugnen, solches getan zu haben auch ohne allen Auftrag; aber sie werden dem Kaiser daneben auch den guten Grund anzugeben imstande sein, laut dessen sie so etwas nur zum Besten des Monarchen und seines Staates verfügt haben! Und sie werden dem Kaiser auch haarklein und sonnenhell zu beweisen suchen, warum solche Verfügung nötig war, und welch ein Nutzen dem Staate und dem Monarchen daraus erwuchs. Und der Kaiser wird sie am Ende dafür noch beloben und belohnen müssen.

06] Stelle du sie heute zur Rede, und du wirst ihnen nach dem Verhöre ebensowenig anhaben können wie der Kaiser selbst und wirst am Ende noch dem Herodes die gewisse Vollmacht bestätigen müssen, so sie dir beweisen, dass so ein Akt notwendig war, um durch ihn der Herrschgier des Herodes gewisse Schranken zu setzen, ohne die er sich mit Hilfe seiner unermeßbaren Schätze und Reichtümer gar leicht geheim eine große Macht gebildet hätte, mit der er dann mit euch Römern ganz kategorisch zu reden angefangen hätte! Sie seien aber dahintergekommen und hätten sogleich durch die Erleuchtung von oben ein rechtes Mittel ergriffen, durch das Herodes pro forma ein Privilegium aus des Kaisers Willensmacht erhielt, welches er sich sonst in Kürze mit Gewalt ertrotzt haben würde. - Wenn dir die Tempelritter mit solchen Erklärungen entgegentreten, was anders kannst du da tun, als sie beloben und belohnen?“

07] Sagt Cyrenius: ”Das sehe ich noch nicht so ganz recht ein! Wenn Herodes einen solch bösen Plan vorhatte und ihn auch ausführen wollte, warum ward mir das nicht auf einem geheimen Wege angezeigt? Ich hätte ja doch auch die rechten Mittel ganz wohl dagegen ergreifen können! Von Jerusalem bis Sidon oder Tyrus ist es ja doch nicht gar so weit! Und endlich, wie werden die Templer die dem Kaiser entwendeten großen Schätze und die dreißig Kamele verantworten? Ich meine, dass es ihnen damit denn doch ein wenig schwerfallen wird!“

08] Sagt Zinka: ”Hoher Freund, hoher Herr! Du scheinst sonst recht viel der gediegensten Staatsklugheit zu besitzen, aber hier scheinst du wieder um so unerfahrener zu sein - wie jemand, der noch nie auch nur ein Hauszepter in seiner Hand geführt hat! Um selbst dir das anzuzeigen, kann sie ein doppelter Grund abgehalten haben! Erstens: Gefahr beim Verzuge; und zweitens: Vermeidung jedes in dieser Sache gefährlichen Aufsehens! Denn wärest du davon zu früh in Kenntnis gesetzt worden, so hättest du sogleich ganz Jerusalem belagern und allersorglichst bewachen lassen; das hätte im Volke eine große Aufregung gemacht und es mit einem bittern Hasse gegen euch erfüllt. Herodes aber hätte da solch eine Stimmung gegen euch ganz gut zu benützen vermocht, wodurch ganz unberechenbare Übel hätten entstehen können!

09] Dieses alles wohl berechnend und zum voraus einsehend, verfügte der Tempel aus seiner göttlichen Weisheitsfülle eben ein Etwas, wodurch ohne alles Geräusch der schlimmen Sache abgeholfen war; zur rechten Zeit aber hätten sie dich und den Kaiser so ganz sachte schon ohnehin in die Kenntnis dessen, was da geschehen ist, gesetzt, begleitet mit dem Rate, was da weiteres zu verfügen wäre. Die für den Kaiser bestimmten Schätze aber könnten sie ja ohnehin erst dann an dich übersenden, wenn sie dir die Nachricht von allem zu geben für rätlich gefunden hätten.

10] Wenn du, hoher Freund und hoher Herr, ganz sicher solch eine Antwort auf einige deiner Fragen erhalten würdest, sage mir, ob du infolge einer wahren Staatsklugheit etwas anderes tun könntest, als den Templern alles Lob erteilen und sie nach dem Gesetze belohnen, wie jeder gute und ehrliche Geschäftsführer mit zehn bei hundert zu belohnen ist!“

11] Sagt Cyrenius: ”So ich aber für mich von der nur zu sichern großartigsten Schlechtigkeit der Templer überzeugt bin, kann ich sie da loben und belohnen auch noch dazu? Gibt es denn kein Mittel und keinen Weg, um diesen Satansbrüdern an den Leib zu kommen?“

12] Sagt Zinka: ”Ob Zinka oder du die argen Ritter mehr kennt und tiefst verabscheut, ist eine bedeutende Frage; wenn ich sie alle, den Tempel und ihre Synagogen mit einem Hauche vernichten könnte, glaube es mir, ich würde mich dazu nicht zwei Augenblicke lang besinnen! Aber die Sachen stehen nun einmal so, dass dir selbst ein Gott keinen andern Rat geben kann, als vorderhand zum bösen Spiele ein gutes Gesicht zu machen. Kommt nachher die Zeit, so kommt auch der Rat.

13] Nach meiner Berechnung und nach der Berechnung des Johannes werden sie von jetzt an in vierzig Jahren vollkommen reif sein zum Umfallen, und ihr werdet dann ganz Judäa und ganz Jerusalem von neuem erobern und ihre Nester vom Grunde aus zerstören müssen; vor dieser Zeit aber wird sich mit gewappneter Hand wenig oder nichts gegen sie unternehmen lassen, außer das, was ich dir ehedem angeraten habe. Du kannst sie in einer Zeit fragen lassen, wie sich die bewußten Dinge und Sachen verhalten; wenn du aber den Aufschluß offenbar sogleich erhalten wirst, dann handle, wie ich dir's gesagt habe, ansonst du der Sache einen schlimmen Ausgang bereiten kannst!“



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