Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 6

Die Perser und die Pharisäer im Streite über das Wunder. Judas Ischariot geht auf den Goldfischfang.

01] Während wir an unserm Tische aber also dies und jenes behandelten, entspann sich ein Streit zwischen den dreißig jungen Pharisäern und den noch anwesenden zwanzig Persern. Die Perser betrachteten die Erweckung der neun Ertrunkenen als ein ordentliches Wunderwerk; aber die dreißig jungen Pharisäer zogen es kleinweg als solches in einen Zweifel. Und namentlich war der Risa, der früher den Hebram für Mich bestärkte, am meisten gegen dasselbe.

02] Hebram sagte: ”Freund Risa, wenn ein Mensch einmal dem Leibe nach so total tot ist, wie die neun es waren, kannst du ihn legen, wie du willst, und ihm am nächsten Tage ebenso und denselben Wein in den Mund geben, so wird er doch nimmer lebendig werden! Das ist das Werk der göttlichen Willenskraft, und das Legen und der eingegossene Wein haben dabei nichts anderes zu tun, als daß durchs Legen einmal das Wasser aus dem Magen und aus der Lunge sich verlaufe, und dass durch den Wein den noch unfesten Nerven eine nötige Vorstärkung und dem Gaumen ein unekliger Geschmack gegeben werde. Aber in Bezug auf das nachherige Erwecken des toten Leibes ist weder das Legen noch der Wein als nötig zu betrachten. Solches ließ der Herr nur darum zuvor geschehen, weil Er die Absicht gefaßt hatte, diese neun durch Seinen Willen ins Leben zurückzurufen, und dass ihre Seelen sogleich einen bewohnbaren und brauchbaren Leib anträfen! - Siehst du denn das nicht ein?“

03] Sagt Risa: ”Ja, ja, ich sehe das wohl ein, und du wirst auch ganz recht haben; aber es käme dabei dennoch nicht unzweckmäßig auf eine Probe an, um sich faktisch selbst zu überzeugen, dass das Legen und hernach das dreimalige Eingeben des Weines für sich keinem gänzlich Ertrunkenen das Leibesleben wiedergibt! Hat man auch diese Überzeugung, dann erst ist diese Erweckung ein vollkommen reinstes Wunder! Das ist so meine Meinung.“

04] Sagt Hebram: ”Na, so du schon darauf bestehst und der Herr es will, so kann es sich vielleicht ja noch treffen, dass bei dieser nunangeordneten Fischerei sich noch irgendein Leichnam vorfinden wird, und du kannst dann mit demselben den haargleichen Leg- und Weineingebungsversuch zu dessen Wiederbelebung machen, wobei du aber sicher zu keinem erfreulichen Resultate gelangen wirst!“

05] Sagen die Perser: ”Dieser Meinung sind auch wir! Denn was nur der Macht des göttlichen Willens möglich ist, das ist keinem Menschen, der selbst nur ein Geschöpf ist, möglich, - außer Gottes Wille wirkt mit und durch den menschlichen. Das ist so unsere Meinung, und wir glauben damit auf keinem Irrpfade uns zu befinden. - Aber nun begibt sich alles ans Wasser, und so wollen denn auch wir unsere Fahrzeuge besteigen; denn bei dieser Gelegenheit wird sich sicher wieder so manches Wunderbare ereignen, und davon müssen auch wir Zeugen sein.“

06] Darauf erfolgt ein allgemeiner Aufbruch aufs Wasser, das an diesem Morgen besonders ruhig und zum Fischen tauglich ist. Diesmal machen Meine Jünger bis auf den Ischariot ganz gemeinsame Sache mit den Söhnen des alten Markus und helfen ihnen die großen Netze auswerfen und ausspannen.

07] Judas Ischariot aber macht sich ein Privatvergnügen und geht ganz allein nach der gänzlich zerstörten Stadt, um nachzusehen, wie es dort aussieht; er hatte ja früher vernommen, dass dort die reichen Griechen einige Straßen mit Gold und Silber haben bepflastern wollen. Und er meinte und verstand solches auch also, als hätten die Reichen damit schon einen ausgiebigen Anfang gemacht; er schlich sich darum nach der Brandstätte, um dort offenliegendes Gold, Silber und andere Kostbarkeiten zu fischen.

08] Aber es trug ihm seine Schmutzerei diesmal keine Rechnung, - außer auf seinen Rücken; denn als er in den Gassen als ein Fremdling nach Gold und Silber jagend ersehen ward, wurde er von den Wächtern alsbald ergriffen und ganz tüchtig durchgebleut. Darauf verließ er freilich die hier und da trotz des gestrigen Sturmes noch dampfenden Ruinen der alten Stadt, die vor alters 'Vilipia' unter den Griechen 'Philippi' hieß und erst unter den Kaisern Roms auch den Beinamen 'Cäsarea' bekam.

09] Als unser Goldfischer aber eilenden Schrittes wieder zum Hause des Markus kam, da traf er natürlich niemand außer dem Weibe und den Töchtern des Markus daheim, mit denen nicht gar viel zu machen war; denn sie hatten alle Hände voll zu tun fürs Mittagsmahl und hatten keine Zeit, sich mit ihm abzugeben. Zudem glaubten sie schon zu fest an Mich und waren darum gar nicht aufgelegt, dem Judas Ischariot seine etwas vorlauten Fragen zu beantworten; auch stand dieser Jünger durchaus nicht absonderlich in ihrer Gunst, weil er sich in den etlichen Tagen schon zu öfteren Malen sättig und unausstehlich erwiesen hatte.

10] Da er im Weiberhause des Markus keine gute Aufnahme fand, so verließ er das Haus und ging ans Meer nachsehen, wo wir wären, konnte aber nichts erspähen, weil wir, um einen guten Fang zu machen, gar auf die hohe See hinausgesteuert sind ob eines Fischzuges, der nur zwei Male im Jahre nach dem Laufe des Jordans,von dem Meromsee kommend, seinen Riebzug hält und zumeist aus den besten Goldlachsforellen besteht.

11] Weil der zurückgebliebene Jünger nun vor Langweile nicht wußte, was er tun sollte, begab er sich in die Zelte des Ouran, um nachzusehen, ob denn da auch alles ausgezogen sei, und ob nicht vielleicht bei der Gelegenheit so ein paar überflüssige Gold- oder Silberstücke zu finden wären, die jemand verstreut hätte! Aber auch da war die Welt mit Brettern vernagelt; denn Ouran hatte in jedem Zelte drei Wachleute zurückgelassen, mit denen sich in Abwesenheit ihrer Herrschaft nicht gut reden ließ. Er verließ denn auch mit großem Ärger die Zelte und suchte sich einen schattenreichen Baum aus, unter dem er sich niederlegte und ganz behaglich einschlief.

12] Aber es ging mit dem Schlafen für die Dauer auch nicht, da ihm die Fliegen keine Ruhe ließen, - kurz, Ischariot war ein Geplagter drei volle Stunden hindurch und ging schon nahe in eine Verzweiflung über. Da aber ersah er endlich unsere Schiffe, und es ward ihm darum etwas leichter ums Herz, und er bereute es nun schon sehr, Meine Gesellschaft verlassen zu haben.


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