Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 161


Florans Bekenntnis vor Jesus und Zeugnis über den Tempel.

01] Wir kommen langsamen Schrittes nun bei den fünfzig an, die sich sogleich allertiefst vor uns verbeugen. Ich heiße sie als Männer aufrecht stehen, und sie richten sich alsogleich vollends aufrecht.

02] Und Ich frage sie, sagend: ”Glaubt ihr, dass Ich Der sei, von dem die Propheten alle geweissagt haben?“

03] Sagen alle: ”Herr, keiner aus uns zweifelt; aber da Du Der bist, wie magst Du uns fragen darum, der Du doch unsere geheimsten Gedanken kennst, ehe wir sie noch zu denken angefangen haben?“

04] Sage Ich: ”Darob ärgere sich ja keiner aus euch an Mir; denn es handelt sich hier nicht um das, was Mir freilich wohl schon von Ewigkeit her bekannt ist, sondern um eure Entäußerung! Ihr könnt Mich nicht eher fassen, als bis euer Innerstes auch zu eurem Äußersten wird!

05] Ihr könnt Mich wohl mit euren Augen sehen und Meine Stimme hören mit euren Ohren; aber euer Herz kann Mich im Geiste und in aller Wahrheit dennoch nicht vernehmen und verstehen! Und darum gebe Ich euch Fragen; und eine Antwort, die ihr Mir gebet, hat eine ganz andere Wirkung für euer ganzes Leben als eine, die ihr einem Menschen eures Schlages gebet.

06] Daher frage Ich euch nun noch einmal, ob ihr wohl ganz ungezweifelt glaubt, dass Ich Der sei, von dem Moses und alle andern Propheten geweissagt haben! Sagt es nun ohne Scheu heraus, wie ihr es euch denkt in eurem Herzen!“

07] Sagt Floran: ”Herr, Du verstehst besser denn wir unsere Naturen! Es ist dies alles so plötzlich vor sich gegangen: gestern die Nachsonne und ihr plötzliches Verschwinden; die Folgen dampfen noch und hüllen die ganze Gegend in Rauch ein; unser Verlust, - noch wissen wir von unsern Weibern und Kindern keine Silbe! Wir flüchten uns hierher, werden aufgegriffen und vors Gericht gestellt; darauf die Wundertaten des Engels, und nun Du Selbst, - und das alles in achtzehn Stunden! Es ist wahrlich kein Scherz, und man kann sich dabei doch nicht mit einem Wurf jedes Bedünkens entheben!

08] Mir selbst und auch sicher allen meinen Gefährten kommt die Sache wie ein Traum vor! Es ist alles wahr und richtig, und niemals kann alles das, was hier geschah, in irgendeine Abrede gestellt werden; aber in der kurzen Zeit geschah hier so viel des Außerordentlichsten, dass man es nicht auf einmal auffassen kann. Wir glauben fest alles, was hier ist und geschieht; und dass Du offenbar der Messias bist, von dem alle Propheten geweissagt haben, ist so sicher und gewiß, als der alte Römer ganz gewiß und sicher der Oberstatthalter über ganz Asien ist, das heißt, soweit es von den Römern erobert ist. Aber bis wir alles das so in unser Leben werden aufgenommen haben, das wird wohl einer längeren Zeitdauer benötigen!

09] Auf einen Hieb bringt man keinen Baum zum Fallen, und wir können so etwas auch nicht auf einen Wurf ganz vollkommen begreifen; aber wir werden uns sicher alle Mühe geben und alles das, was hier namentlich unsertwegen geschehen ist, und was wir hier erlebten, gewiß in aller Tiefe der rechten Erkenntnis zu würdigen über alles bestrebt sein! Tieferes und Höheres kann ja doch wohl kein Mensch irgendwo auf dieser Erde erleben!

10] Also, wir glauben alle fest und ungezweifelt, dass Du der verheißene Messias bist, trotz Deiner uns mehr oder weniger bekannten höchst unansehnlichen Abstammung bezüglich der irdisch-besitzlichen Verhältnisse. Deine irdischen Eltern sind arm, und Dein Vater war unseres Wissens ein Zimmermann in Nazareth. Die Abkunft Deiner Mutter ist uns nicht bekannt, und es ist darum um so außerordentlicher, dass ein schon dem ersten Menschen dieser Erde verkündeter Retter aller Menschen in einer so außerordentlichsten Geringheit und Armut in diese Welt hat kommen mögen, da Ihm im Geiste doch schon von Ewigkeit alle Vorteile irgendeiner Hochgeburt zu Gebote haben stehen müssen.

11] Wärest Du aus dem Schoße einer Kaiserin in die Welt gekommen und tätest solche Zeichen, wo gäbe es ein Volk auf dieser Erde, das sich Dir nicht unterwürfe in allem!? Aber als ein allererster und größter Mensch, ja als der einige Gott Selbst in Menschengestalt in solch einer Geburtsniedrigkeit in diese Welt zu treten, ist etwas, das viele auch etwas stark ärgerlich berühren wird! Uns macht das freilich wohl nichts mehr, und wir sind also zufriedener; aber alle Menschen werden nicht also denken wie wir nun, - die stolzen Jerusalemer schon gar nicht, und am wenigsten die Templer! Denn diese kennen wir; diese kennen in der Welt nur einen Menschen, den sie lieben und achten - alles andere ist Mist -, und dieser Mensch ist für jede Templer ohne die geringste Ausnahme - er sich selbst! Der allein wird von jedem über alles geliebt und geachtet, jeder andere, und wäre er ein Gott, aufs äußerste verachtet; nur ein außerordentlicher äußerer Glanz kann ihnen noch zuweilen ein wenig imponieren.

12] Kommst Du, o Herr, heute nach Jerusalem, und Du läßt es zu, töten sie Dein Fleisch in den ersten drei Tagen; denn die Templer kenne niemand - als nur ein jeder aus ihnen sich selbst. Es möchte zwar ein jede den andern töten; da aber ein jeder dem andern dienlich ist zur Erreichung seiner höchst selbstsüchtigen Zwecke, so duldet man sich gegenseitig unter der Larve der allererheucheltsten Freundschaft.

13] Keiner traut dem andern auch nur um eine Spanne weiter, als er ihn so fein als möglich durchschauen kann: aber dennoch heuchelt ein jeder dem andern ein unbedingtes Vertrauen vor. Braucht er ihn aber bei irgend einem Geschäfte, so kann ihm sein Nachbar nicht Kautionen zur Genüge hinterlegen, auf dass er genötigt sei, ehrlich zu handeln. Aber selbst die Kautionen nützen nichts! Sieht sich der mit einer Geschäftsmission Betraute bei abgemachtem Geschäfte so hübsch über die geleistete Kaution im Vorteile, so läßt er die Kaution fahren und steckt dafür den noch viel größere Vorteil ganz gemütlich ein.

14] Es wäre da viel zu reden vor Menschen; aber da Dir, o Herr, ohnehin alles gar wohlbekannt sein wird, so wäre jedes weitere Wort aus meinem Munde eine eitle Torheit, und ich sage es Dir, dass wir auch darum fest glauben an Dich; denn Du mußtest kommen, um allen falschen Greueln ein Ende zu machen für alle Zeiten.“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 3  |   Werke Lorbers