Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 206


Josoes Entschuldigungsrede wegen seines Ungehorsams.

01] Sagt Josoe: »O Herr, meine Ansicht darüber wird wahrlich sehr unsicher ausfallen! Ich verstehe es wohl so im ganzen, was damit gesagt werden will, und ich kann von mir nicht geradehin behaupten, als hätte ich solches nicht klar genug verstanden; aber darüber eine gewisse sonnenhelle Reflexion (Betrachtung) zu machen, dazu fühle ich mich viel zu schwach. Daher wäre es schon wieder gut, so mich auch noch hier meine allerholdeste Jarah vertreten möchte. Denn so ich auch, mir vorkommend, noch so weise rede, da ist aber dennoch irgend etwas am Ende da, dem sehr widersprochen werden kann! Und so ist es mir denn wohl um vieles lieber, zuzuhören, als selbst zu reden. Ah, so jemand etwas vorbrächte, das da nur im geringsten falsch und unrichtig wäre, dann werde ich schon lebendigerer Zunge werden; aber zur Entwicklung der über meinen Erkenntnishorizont zu hoch liegenden Wahrheiten fühle ich mich noch langehin zu schwach, - und so bleibe ich schön fein und ganz bescheiden stille, laß gerne die Weiseren für mich reden und horche als ein stiller Bewunderer zu, wie einem weisen Gemüte hohe Worte ebenso leuchtend entströmen wie der Morgensonne ihre Lichtstrahlen. Zudem finde ich es, wenigstens für mich, ganz überflüssig, über etwas ohnehin schon Sonnenhelles noch weitere Reflexionen zu machen. Wer wohl wird am hellsten Mittage noch irgendeine Lampe anzünden, um das Licht der Sonne dadurch zu unterstützen? Wer aber an den hellsten Lichtworten, die nun aus Deinem heiligen Munde geflossen sind, noch irgendeinen Zweifel haben kann, nun, der melde sich, und man wird ihn anstandslos auf die richtige Fährte führen!

02] Wohl weiß ich es, daß man Dir, o Herr, sozusagen blindlings gehorchen soll, so Du von jemandem etwas willst; aber hier muß ich mich, und zwar infolge der rechten Demut meines Herzens, als ungehorsam erweisen! Denn gar leicht könnte Dein Verlangen, o Herr, für mich auch eine Art Prüfung sein, ob ich mich von meinem angeborenen, mich selbst oft überschätzenden Selbstgefühle werde so weit hinreißen lassen und gleich mit meiner noch obendrauf sehr schlecht bestellten Nachtlampe herausfahren werde, um die Sonne damit etwa doch noch heller zu machen, als sie ist! Aber da sagt mir glücklicherweise mein ruhiges Herz: >Eitler Knabe, nimm dich in acht, der Herr prüft dich! Siehe, daß du in der Gnade bestehst vor Ihm!< Vernehme ich aber so etwas, oh, da kenne ich mich dann aber auch sogleich aus und bleibe auf meinem bescheidenen Platze! - Habe ich recht oder nicht, mich also durchgängig zu verhalten?«

03] Sage Ich: »Mein lieber Josoe, recht und dennoch nicht ganz recht; denn, wenn Ich von dir etwas verlange, so weiß Ich es sicher warum! Und willst du dein Heil vollends in allem gefordert wissen, so mußt du Mir Folge leisten in allen Dingen, sei es, was es wolle. Und verlangete Ich selbst deines Leibes Leben, so müßtest du es lassen mit Freuden; denn Ich werde niemandes Leibesleben verlangen zum Unheile dessen, der es für Mich lassen würde!

04] Aber Ich weiß, was dir nun so ganz eigentlich die Zunge ein wenig gelähmt hat. Siehe, du warst ehedem ein wenig vorlaut darin, daß du von dir behauptetest, daß du nur für die Wahrheit allein seiest! Ich zeigte es dir aber, daß du noch lange nicht wußtest, was die Wahrheit ist; und weil die Jarah, als ein harmloses Mädchen aus Genezareth, dich hernach offenbar ein wenig beschämte, da sie Meine Frage an dich auf eine überaus glänzende Weise beantwortete, so hast du darauf so ein wenig den Mut verloren. Aber siehe, diese deine kleine Mutlosigkeit ist im Grunde keine so ganz rechte Demut, sondern vielmehr eine heimlich gekränkte Eitelkeit deines Gemütes! Und sieh, das ist nun denn auch so ein kleiner Mitgrund, warum du dich nun so schwer zum Reden entschließest! Ich will aber, daß du solchen Mitgrund in dir nun völlig besiegen sollst; denn es ist einem etwas eitlen Gemüte besser, ein wenig ausgelacht zu werden, als auf dem Wege der triumphierenden Gelungenheiten sich von allen Seiten her bewundert und geschmeichelt zu fühlen! Darum rede du nur zu, so Ich von dir etwas zu reden verlange! - Und so gib du uns über Meine Belehrung vom Sklaventume nun nur immerhin irgendeine sichere Ansicht!«


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