Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 01, Kapitel 203


"Wer gefallen ist, den hebt auf!" "Ich bin nicht gekommen, zu richten, sondern das Verlorene zu suchen und zu retten!" Jonaels Lobgesang.

01] Nach dieser gedehnten Belehrung sagen beide: »Herr! Vergib uns also unsere Sünde! Denn nun sehen wir klarst ein, dass eigentlich nur wir gefehlt haben und nicht so sehr das Volk gefehlt hat, und wir werden nun mit Deiner Gnade und Hilfe nach Möglichkeit alles wieder zurechtbringen!

02] Nun erst erfahren wir den wahren Geist Deiner heiligsten Lehre und werden solchen auch unter das Volk zu verbreiten auf das eifrigste bemüht sein! Nur sind nun viele zu den Heiden gegangen; diese wissen wir kaum zurückzubekommen! Was sollen wir da tun?«

03] Sage Ich: »Mit denen tut also, wie da ich tue mit den Heiden, und sie werden samt den Heiden eure Jünger sein.

04] Seht, dies Haus ist auch nun heidnisch und hatte sich schon eine geraume Zeit zur Doktrin der griechischen Weltweisen bekannt, und nun ist es mehr auf Meiner Seite denn je ein Haus im Judentume! Macht ihr es denn auch also, und es werden sich bald mehr Heiden um euch scharen denn Juden!

05] Denn wer einen leeren Magen hat, wird ein Mahl gieriger verzehren, als ein Mensch mit einem vollen Magen, besonders wenn der Magen noch dazu schon ganz verdorben ist, wie der Magen der Pharisäer und Schriftgelehrten!«

06] Sagen die beiden: »Was soll denn mit denen geschehen, die Deinen Namen verflucht haben ihrer Habe wegen, dass sie ihnen nicht genommen werde?«

07] Sage Ich: »Wer gefallen ist, den hebt auf und bringt ihn auf einen guten Weg und führt ihn, auf dass er zur Einsicht seiner Sünde kommen möge und solche getan zu haben bereue! Das soll euch obliegen!

08] Ich aber bin nicht gekommen, zu richten (Johannes.03,17) und zu verderben diese Welt, sondern zu suchen das Verlorene (Lukas.19,10) und aufzurichten, was darniederliegt! So ihr das nun wisst, da geht hin und handelt also!«

09] Nach diesen Worten verneigten sich die beiden tiefst vor Mir und baten Mich, ob sie noch einige Tage an Meiner Seite verbleiben dürften.

10] Und Ich gestattete ihnen solches und sagte: »So Ich euch zuvor sagte, dass ihr alsobald wieder heimziehen sollt, so wollte ich damit in allem mehr die Willigkeit eures Herzens und dessen Verstandes bezeichnet haben, als euch zeitlich bescheiden, alsobald von hier nach Sichar zu ziehen; und so mögt ihr wohl die etlichen Tage hier verweilen, die Ich noch hier zubringen werde bei Meinem Freunde.«

11] Die beiden, ganz zufrieden mit Meinem Bescheide, geben Mir Dank und Ehre, und Jonael sagt in tiefer Erregtheit seines Gemütes: »O Erde! Du altgewordener Acker des Unkrautes, der Dornen und Disteln! Du finsteres Grab des Lebens, du alte Gebärerin der Sünde und des Todes! Bist du wohl wert, dass der Herr, dein Gott und Schöpfer, dich mit Seinen allerheiligsten Füßen betritt, deine pestvolle Luft einatmet und deine argen Früchte zu Sich nimmt?!

12] Wir Menschen samt den Tieren und Pflanzen haben nicht so viel Wert, dass wir von Ihm nur angeschaut werden möchten! Alles ist pure endlose Gnade und Erbarmung!

13] Darum erhebe sich alles und lobe und preise Ihn immerdar!

14] Und ihr Sterne da oben am hohen Himmel, verhüllt euer unheiliges Angesicht; denn Gott, euer Schöpfer, ist es, auf Den ihr von eurer Höhe stolz herabschaut!

15] O Erde, was ist aus dir geworden?! Welchen Namen sollst du überkommen - nicht deiner selbst willen, sondern um Dessen willen, den du Unwürdigste nun trägst?!

16] Oh, je mehr ich nun nachdenke, wer Der ist, der hier weilt unter Seinen Erwählten, desto enger und enger wird meine Brust! Wie soll die Beschränkte auch Den in sich zu fassen imstande sein, den alle Himmel und Engel nicht zu fassen vermögen!?

17] O du heiligste Zeit der Zeiten auf dieser Erde, allwo nun Der wohnt, der der Sonne und dem Monde das Licht gab und hat ihnen vorgeschrieben, zu wandeln den großen Weg Seiner Liebe und Weisheit und zu geben der Erde die Zeit und Nacht und Tag!

18] Darum lobe alles den Herrn der Herrlichkeit aus allen Himmeln; denn Ihm ganz allein gebühret aller Preis, alle Ehre, alles Lob und alle Liebe der ewigen Unendlichkeit!«

19] Die Jünger aber, die solche Ausrufungen anhören, sagen: »Herr, vernimmst Du nicht, wie Jonael Dich lobt und preist, als wäre Davids Geist in ihn gefahren?!«

20] Sage Ich: »Sein Lob vernehme Ich und habe daran ein rechtes Wohlgefallen; aber von euch habe Ich noch kein solches empfangen. Es wäre euch aber auch durchaus nicht zum Schaden, so ihr einmal so recht in euch überdächtet, wer Der ist, der nun mit euch spricht! - Aber laßt uns nun ein wenig der Ruhe pflegen, da der Nacht Mitte schon lange vorüber ist!«

21] Nach solchen Worten wird bald alles lautlos um den Hügel, und die meisten ergeben sich dem Schlafe; nur Jonael und Jairuth vertiefen sich in allerlei Betrachtungen und loben Mich im stillen.



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