Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 1, Kapitel 84


Aufklärung des Matthäus über die Schöpfung durch Jesus.

01] Wir aber ziehen unseres Weges weiter, gelangen bis zum Aufgange der Sonne an die Grenze vom Lande der Samariter und betreten das Galiläerland, allwo wir auf einer freien Anhöhe, und zwar auf einem schönen üppigen Rasen, eine nötige Ruhe nehmen.

02] Alle können auf dieser Höhe die herrliche Aussicht nicht genug loben, und der Schreiber Matthäus sagt: »Herr, so die Menschen von Deiner Lehre durchdrungen wären in allem und jedem, so wäre solch ein Land wirklich schön genug, um den Menschen ein Himmel zu sein! Aber wenn ich bedenke, dass die Menschen zum größten Teile noch ärger als die reißendsten und blutdürstigsten Bestien sind, so möchte ich hier gerade Gott dem Herrn einen Vorwurf machen deshalb, dass Er diese Erde gar so herrlich gestaltet hat für solch ein schlechtes Gesinde!«

03] Sage Ich: »Der Vorwurf trifft sonach Mich; denn der Vater und Ich sind Eins! Denn des ewigen Sohnes Weisheit, die eigentlichst die Weisheit des Vaters ist, machte den großen Schöpfungsplan, und des Vaters Liebe setzte das große 'Werde' hinzu, und also entstand diese Erde, Sonne, Mond und Sterne!

04] Die Menschen aber, die diese Erde bewohnen, sind ebenfalls von Mir erschaffen und sollen und werden nun umgestaltet werden!

05] Wenn diese Sachen sich aber also verhalten, wie magst du Mir einen Vorwurf machen? Und - zudem ist diese Erde eben auch nicht gar so schön, als sie dir vorkommt; alle die Gegenden, die du hier erschauest, geben nur in einer gewissen Ferne ein lieblich Bild. Gehe hin, und du wirst wenig oder auch gar nichts Schönes und Reizendes an und in diesen Gegenden finden, außer hie und da einen Baum oder gar einen von Menschenhänden angelegten Garten und im selben etwa einen Palast eines reichen Menschen! Wirst du solche Dinge wohl auch schön und herrlich nennen?

06] Da siehe empor zur Sonne; dort gibt es andere Gegenden! Eine Wüste ist dort herrlicher als hier ein Paradies! Denn so das Licht der Sonne die Gegenden dieser Erde einzig und allein schön, herrlich und freundlich aussehend macht, da ohne das Licht der Sonne die Erde ein pures Jammer- und Schreckenstal wäre, um wieviel herrlicher müssen dann erst die Gegenden der großen Sonne selbst sein, von deren Glanz- und Prachtüberfülle diese Erde ihren matten Schimmer borgt!«

07] Sagt Matthäus: »Herr, was sagst Du? Die Sonne sei eine ganze große Welt auch, und unaussprechlich herrlicher schon eine Wüste dort denn hier ein Paradies?! Besieh die große Erde doch und dagegen die winzige Glanzscheibe der Sonne! Wieviel Male hätte sie wohl auf der Fläche Platz, die wir nun überschauen, die sicher ein kleinster Teil der ganzen Erde ist, und wieviel Male dann erst auf der ganzen Erde?!«

08] Sage Ich: »Siehe, das ist also: Wenn Ich von irdischen Dingen mit euch rede, so versteht ihr sie nicht; wie möglich möchtet ihr Mich verstehen, so Ich mit euch rede von himmlischen Dingen?! - Sieh und fasse es!

09] Siehe dort gen Mittag einen Zedernbaum am fernsten Rande der Bergreihe, vergleiche dessen kleine Scheinhöhe mit der Höhe einer Grasstaude hier, die kaum eine Spanne mißt, und du wirst sehen, dass diese Grasstaude, so du sie vor dein Gesicht hältst, scheinbar sehr viele Male höher in die Luft emporragen wird als jene ferne Zeder, die an und für sich mehrere hundert Male höher ist denn diese Grasstaude! Und sieh, das bewirkt die Ferne! Wenn du gut bei Füßen bist, so erreichst du jene Zeder in zehn Stunden. Was bewirken alsonach schon zehn Stunden fürs Maß des Auges!?

10] Nun denke dir aber die Entfernung der Sonne von dieser Erde! Sieh, so ein Vogel im schnellsten Fluge in der Zeit der Schöpfung Adams von der Erde gegen die Sonne hin abgeflogen wäre, so wäre er jetzt noch nicht dort, sondern hätte noch etliche Jahre zu fliegen! Wenn du das fassen kannst, dann möchtest du wohl begreifen, wie die über tausend mal tausend Male größere Sonne denn diese Erde dir hier so klein vorkommt!«

11] Matthäus, ganz außer sich über solche Ferne und solch eine Größe, sagt: »O Herr, wenn also, wie magst Du nun von dieser Erde aus solch eine Welt lenken und erhalten?!«

12] Sage Ich: »Ja sieh, was dir auch noch so unmöglich dünkt, das ist - vorderhand bloß unter uns gesagt - Mir ganz überleicht möglich! Jetzt kannst du solches freilich nicht einsehen; aber es wird schon eine Zeit kommen, wo du solches alles einsehen wirst.

13] Damit du aber ersehen kannst, dass Ich auch, durch die Macht des Vaters in Mir, im Augenblick bis zur Sonne hinreiche, so habe nun acht! Ich werde die Sonne nun auf ein paar Augenblicke lang verdecken, dass sie auf der ganzen Erde kein Auge sehen soll; und dir soll es daraus klar werden, dass Ich auch von dieser Erde aus nach der Sonne hinlangen kann!«

14] Sagt Matthäus: »O Herr, tue das doch nicht; denn da werden die Menschen verschmachten vor Angst!« - Sage Ich: »Sorge dich um was anderes! Die Menschen werden meinen, dass das eine gewöhnliche Sonnenfinsternis ist, die sich auf eine ganz natürliche Weise öfter ereignet, - und in wenig Augenblicken haben sie die Sonne wieder. Gib nun acht!« - Sagt Matthäus etwas ängstlich: »Herr, sollen darauf nicht alle hier Anwesenden aufmerksam gemacht werden?« Sage Ich: »Lassen wir sie schlafen und ruhen! Es ist genug, dass du allein solches erfährst; denn ein Schreiber muß mehr wissen als jene, die vorderhand nicht zum Schreiben bestimmt sind! - Und siehe, Ich sage nun: 'Sonne, verdecke nun dein Angesicht auf sieben Augenblicke vor der ganzen Erde!'« - In diesem Augenblick wird es stockfinster; nur einige erste Sterne sind schwach ersichtlich.

15] Matthäus bebt vor Angst und sagt: »Herr, Du Allmächtiger! Wer kann neben Dir bestehen, wenn Dein Gottesarm im Augenblicke so endlos weit reicht?!« - Als Matthäus diese wenigen Worte noch kaum ausgesprochen hatte, scheint die Sonne schon wieder in ihrem Vollglanze, und Mein Matthäus atmet wieder freier, - kann aber vor Staunen kein Wort von sich geben. Nach einer geraumen Weile erst bekommt er etwas Mut und sagt: »Nein, Herr, das geht mir nicht ein! Deine Macht muß unendlich sein! Aber mit derlei schrecklichen Beweisen von Deiner Allmacht verschone uns, o Herr, in der Zukunft; denn dabei müßte in Kürze alle Welt verschmachten und zugrunde gehen!«

16] Sage Ich: »Sorge dich um was anderes! Ist denn nun schon jemand zugrunde gegangen?! Ein bißchen Angst aber schadet dem sinnlichen Menschen niemals. Nun aber wecke die Schlafenden! Denn wir werden uns nun sogleich weiterbegeben! Aber erzähle du ja niemandem auch nur von ferne hin etwas von diesem Gesichte und Zeichen!« - Darauf weckte Matthäus die Schlafenden, und wir machten uns auf die Weiterreise, die von nun an bedeutend bergab und daher auch schneller denn eher (vormals) bergauf vonstatten ging.



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