Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 01, Kapitel 131


Heilung eines besessenen Taubstummen. Anwesende Pharisäer lästern diese Tat als Teufelswerk. Kornelius verhängt über sie das Kreuzesurteil. Fürbitte Jesu bewirkt Freiheit. Undank der Befreiten.

01] a Als aber diese beiden kaum das Haus verlassen hatten, da brachten andere erst Angekommene einen Menschen, der stumm und zugleich auch besessen war. Es waren aber auch mehrere Pharisäer und Schriftgelehrte, die wir vor zwei Tagen im Haus des Matthäus zurückgelassen hatten, nachgekommen, um zu sehen, was Ich zu Hause machen und wohin Ich Mich wenden werde. Sie begegneten vor dem Hause den beiden Blinden, die ihnen sogleich erzählten, dass nun ein Stummer und Besessener geheilt werden würde; aber von sich sagten sie nichts; denn sie hatten noch viel Furcht in ihren Herzen. (a Matthäus.09,32; Lukas.11,14)

02] Die Pharisäer aber beeilten sich auf diese Kunde, dass sie ja nicht zu spät kämen. Als sie ins Zimmer traten, erkannten sie den Besessenen, der stumm war, und sagten: »Oh, den kennen wir schon lange! Mit dem richtet keine Macht etwas aus! Wenn sein Teufel wild wird, da entwurzelt er Bäume, und keine Mauer und keine Kette ist ihm stark genug. Im Feuer verbrennt er nicht, und wehe den Fischen, so er ins Wasser geht. Das Beste an ihm ist, dass er stumm und taub ist; würde er hören und reden können, so wäre vor ihm kein Wesen auf der Erde sicher. Oh, das ist ein schrecklicher Mensch! Vor dem flieht alles; selbst die reißendsten Tiere fliehen seine Nähe. Und den will er heilen? Den kann nur der Oberste aller Teufel heilen!«

03] Sage Ich: »Und dennoch werde Ich ihn heilen, auf dass ihr es doch endlich einmal einsehen mögt, dass Gottes Macht alle Wesen gehorchen müssen!«

04] Hierauf streckte Ich eine Hand über den Besessenen aus und sprach: »Fahre aus diesem Menschen, du unsauberer, böser Geist!« Da schrie der Geist: »Wohin soll ich?« Sage Ich: »Dort, wo das Meer am tiefsten ist, harrt deiner ein Ungeheuer!« Der böse Geist schrie abermals und fuhr alsbald aus dem Menschen.

05] a Der Mensch aber bekam darauf sogleich ein gar freundliches Aussehen, fing an, voll Dankbarkeit zu reden, und antwortete jedermann voll Art mit den sanftesten Worten, und sie überzeugten sich alle, dass er auch seine Taub- und Stummheit völlig verloren hatte. (a Matthäus.09,33a; Lukas.11,14)

06] a Die Jünger und alles Volk aber, das da war, fingen an, sich über alle Maßen zu verwundern und sprachen: »Wahrlich, dieses geht über alles! Das ist in Israel noch nie erhört worden! Wind- und Sturmvertreiben ist schon dagewesen, wennschon in einem niederen Grade; Scheintote sind auch schon wieder lebend gemacht worden, Felsen mußten Wasser geben, und auf die Bitte Mosis kam Manna aus den Himmeln, freilich wohl alles nicht in dem hohen Grade der Vollendung. (a Matthäus.09,33b)

07] Als Salomo den Tempel baute und einen Monat hindurch kein Tagewerker zum Bau seine Hände leihen wollte, da flehte er zu Gott um Arbeiter, und es kamen alsbald eine große Menge Jünglinge und boten dem Könige ihre Hände zur Arbeit dar, und Salomo nahm sie auf und arbeitete mit ihnen einen Monat lang, wie uns solches die Tradition kündet.

08] Kurz, es haben sich seit Abraham bis auf uns so manche Wunderdinge zugetragen; aber dieser Wundertat kommt, so wahr ein Gott Lebt und regiert über Himmel und Erde, keine gleich!«

09] Diese Verwunderung ärgerte die Pharisäer ganz gewaltig, und sie konnten nun ihren Grimm nicht mehr unterdrücken a und sprachen deshalb zum Volke: »Wie ihr doch so blinde Toren sein mögt! Haben wir's euch nicht gleich bei unserem Eintritt in dies Zimmer laut zu erkennen gegeben, wer solcher Besessenen Meister sein könnte? wir sagten es euch, dass so was allein aller Teufel Oberster tun kann! Er heilte zwar den Besessenen, aber wie?! Durch den Obersten der Teufel hat er diesen Teufel aus diesem Menschen ausgetrieben!« (a Matthäus.09,34*;  Matthäus.12,24-32)

Oberst Kornelius verhängt Todesurteil für verleumderische Pharisäer; Fürbitte Jesu bewirkt Freiheit; Undank der Befreiten

10] Als die grimmigen Pharisäer Mir vor dem Volke und nun auch in der Gegenwart des römischen Obersten Kornelius solches Zeugnis gaben, da war es aus! Der Oberste, ganz empört über diese Äußerung, donnerte die Sentenz (Spruch, Urteil) über die Pharisäer und Schriftgelehrten: »Heute noch soll das Kreuz euer Los sein! Ich werde euch den Unterschied zwischen Gott und Teufel schon erkennen machen!«

11] Als die Pharisäer solchen Donner vernommen hatten, da fingen sie gar entsetzlich an zu heulen und zu verzagen. Das Volk aber jubelte und sprach: »Ah! Habt ihr einmal den Rechten gefunden, der euern alten Teufel austreiben wird? Vollkommen recht geschieht es euch! Denn ihr selbst seid ja dem Obersten aller Teufel völlig gleich; ihr kämpfet noch, gleichwie er einst mit dem Erzengel Michael, um den Leib Mosis, das ist um die tote Materie seiner Lehre, und verfolgt mit Fluch, Feuer und Schwert alles, das nur nach etwas Geistigem einen Geruch hat! Deshalb auch seid ihr es, die da allzeit mit der Hilfe des Teufels wirken und dem alten Lügengeiste ins Handwerk greifen! Darum ist des Obersten Gericht über euch Satansknechte ein völlig gerechtes, und es regt sich kein Mitleid über euch in unseren Herzen!«

12] Da tritt Matthäus der Zöllner zu den Pharisäern und sagt: »Es ist etwa der vierte Tag, als der Meister Jesus, gerade am vergangenen Sabbate, den alten Bruder meiner Mutter von der Gicht befreit hat; was ist euch da alles gesagt worden in der tiefsten Tiefe der vollendetsten Wahrheit?! Kinder begriffen es nahe mit den Händen und zeigten mit Fingern nach euch; der Meister Selbst sprach so wahr und weise zu euch, dass ihr euch darob hoch verwundern mußtet und zu fragen genötigt wurdet, woher Ihm solche Weisheit käme. Aber weder Seine höchst geist- und belehrungsvollen Antworten noch Seine unerhörten Taten vermochten es, dass euch die Augen helle geworden wären!

13] Wenn solche Taten und Lehren euch die Augen zu öffnen nicht imstande sind und ihr dabei in euren bösesten Herzen nur immer erboster und rachedurstiger werdet, sagt, was fehlt euch noch bis zum vollendeten Teufel? Ja, ich sage es euch, wie ich es euch schon gesagt habe, dass ihr ärger als alle Teufel zusammen, und es ist daher vor Gott und allen besseren Menschen recht und billig, dass man euch ausrottet wie reißende Bestien!

14] Ich bin sicher ein tief fühlender und überaus gutmütiger Mensch und kann vor lauter Zartgefühl nicht einmal eine Fliege umbringen und keinen Wurm zertreten; aber euch könnte ich selbst die Köpfe abschlagen, ohne dass es mir dabei bange werden könnte. Ich lobe daher auch den Obersten Kornelius, dass er euch zum Galgen (gleichbedeutend mit Kreuz) verdammt hat.«

15] Als die Pharisäer in ihrer großen Angst sahen, dass niemand sich ihrer erbarmen und für sie eine Fürsprache beim Obersten machen wollte, der das römische, gewöhnlich unerbittliche Jus gladii (d.h. ,Schwertrecht', Richtgewalt) über ganz Galiläa führte, so fielen sie, in allem bei dreißig an der Zahl, vor dem Obersten nieder, beteuerten, dass sie es vorher Jesu gegenüber nicht so böse, als es aufgenommen ward, gemeint hätten und damit nur in einer kräftigeren Weise hätten ausdrücken wollen, wie die offenbare Gotteskraft in Jesu dem Meister der Meister, sich auch, wo es notwendig ist, sogar den Obersten aller Teufel dienstbar machen kann und machen muß; denn es wäre sehr traurig für die Menschen, so Gott über die Teufel keine Macht hätte. Wirke aber in Jesu, was nun wohl nimmer zu bezweifeln sei, doch offenbar des allerhöchsten Gottes Macht und Kraft, so müsse sie ja über alle Teufel so gut wie über alle Engel gebieten und sie zum strengsten Gehorsam unausweichbar zwingen können! »Wir wollten alsonach durch die Exklamation, er treibe solche Teufel durch deren Obersten aus, nur andeuten, dass seine Gotteskraft über alles geht, das im Himmel, auf Erden und unter der Erde ist. So wir aber nur das und unmöglich was anderes haben verstehen können unter der Exklamation, derentwegen du uns zum Tode verdammt hast, wie ist es möglich, dass du, hoher Gebieter Roms, über uns ein solches Gericht hast ergehen lassen können? Wir bitten dich daher im Namen des göttlichen Meisters Jesus, dass du dein ausgesprochenes Urteil allergnädigst wieder zurücknehmen möchtest!«

16] Sagt der Oberste: »Wenn Jesus, der Meister, für euch ein Wort spricht, so will ich mein Wort zurücknehmen; schweigt Er, so sterbet ihr ohne weiteres heute noch! Denn euren Worten messe ich keinen Glauben bei, da eurer Herzen Sinn ein anderer ist, als den ihr aussprecht mit dem Munde!«

17] Auf diese Worte des Obersten stürzen nun alle zu Mir hin und schreien: »O Jesus, du guter Meister, wir bitten dich, rette und erlöse uns! Verlange Geiseln von uns, so du uns nimmer trauen wolltest, dass wir dir fortan keine Hindernisse mehr in den Weg legen werden! Denn wir sind nun ja alle mehr als überzeugt, dass du ein reinster Bote Gottes an uns, Seine leider sehr vielfach schlecht gewordenen Kinder, bist! O Jesus, laß unsere Bitte nicht unerhört!«

18] Sage Ich: »So geht in Frieden nach Hause! Gebt aber acht, dass ihr nichts Ärgeres unternehmt; denn da würde Ich zu euch nimmer sagen: 'Geht in Frieden nach Hause!'«

19] Sie gelobten Mir alles, und der Oberste sagte: »Weil Er euch den Frieden gab, so gebe auch ich ihn euch und nehme für jetzt das Urteil zurück; aber wehe euch, so ich das Geringste von euch erfahre!«

20a] Die Pharisäer bedankten sich überaus hoch und teuer bei Mir und dem Obersten, entfernten sich dann eiligst nach Hause und schwiegen sorglichst; denn sie alle fürchteten den Kornelius überaus. Aber in ihren Herzen brüteten sie desto unausgesetzter, wie sie Mich verderben und sich am Obersten rächen könnten, mußten jedoch, da sich ihnen durchaus keine Gelegenheit darbieten wollte, zum für sie bösen Spiele eine gute Miene machen; denn es hing nun ihr Sein oder Nichtsein davon ab.

  • Matthäus.09,35] a Und Jesus ging ringsum in alle Städte und Märkte, lehrte in ihren Schulen und predigte das Evangelium von dem Reich und heilte allerlei Seuchen und allerlei Krankheit im Volk. (a ⇒ jl.ev01.131,20b*;  jl.ev01.132,01)

20b] Für Meine Sache aber war das dennoch gut; denn Ich konnte nun eine geraume Zeit hindurch, nahe bis zum Spätherbste, a in den Städten und Märkten in ganz Galiläa das Evangelium vom Reiche Gottes unbeirrt verkündigen und daneben heilen allerlei Seuchen und Krankheiten des Volkes. (a Matthäus.09,35*)



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