Jakob Lorber: 'Die Erde'


37. Kapitel: Berge mit berüchtigten Namen (24. Februar 1847)

Originaltext 1. Auflage 1856 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 4. Auflage 1953 Lorber-Verlag

01] In einer Gegend des oberen Kärnthens, und zwar unfern des Draustromes befindet sich ein Berg unter dem Namen: der hohe Staff. Dieser Berg beherrscht mit seiner Spitze das Drauthal beinahe von der Grenze Tirols bis gegen Klagenfurt, d. h. bis in die Nähe dieser Stadt; zugleich ist südwestlicherseits an dessen Fuß der sogenannte weiße See angelehnt. Er hat eine Höhe von 8000 Fuß, und von seiner Spitze genießt sicher Jeder, der ihn bestiegen hat, die bezauberndste Aussicht. Dieser Berg war einst überaus berüchtigt, und war so zu sagen ein Hauptsammelplatz für die Hexen und deren Meister, natürlich nach der Sage der noch jetzt lebenden Landleute, welche diesen Berg nach allen Seiten herum bewohnen. Seine Ausläufer hatten die noch jetzt führenden Namen von seiner einstigen zauberischen Berühmtheit erhalten; so nennt man einen Ausläufer nach Norden den Goldeck, einen nach Nordwest die Siflitz, einen nach Westen Bärenbuck, einen nach Süden das silberne Grab; den senkrechten Felsen der höchsten Spitze nennt man die hohe Freiung, und eine etwas unter dieser liegenden Wand die Unterfreiung, so wie der Sattel zwischen dem hohen und niederen Staff manchesmal Hexen- und manchesmal Teufelsritt heißt. So ist auch von eben diesem Sattel ein nackter Steingraben, welcher das Rutschbret des Teufels genannt wird; auch ein anderer Graben, der sich gegen Westen neigt, heißt das wilde G'jad. Diese Benennungen und noch mehrere dergleichen, die sich an diesen Berg anreihen, als: ein Hexensprung, Teufelsritt, Wehrwolfsnest und dergleichen noch eine Menge, bezeichnen hinreichend, in welchem Ansehen einst dieser Berg gestanden ist; abgesehen aber von all' diesen Seitenbenennungen genügt schon der Name Staff, um zu sehen, daß das ein Hauptzauberberg war.

02] Das Wort Staff war bei diesen früheren Gebirgsbewohnern ein Ausdruck, durch den sie die Eigenschaft eines außerordentlichen Dinges bezeichneten. Außerordentlich aber war bei ihnen dasjenige, was sowohl für die Elemente, als da sind: Luft mit ihren Erscheinungen, und das Wasser mit den seinigen, so wie auch für Menschen und Thiere als ein Richtpunkt diente; aus welchem Grunde man in späterer Zeit diesem Berge einen neuen Namen gab, welcher den ersten nur gewisserart in ein mehr Neudeutsches übersetzte.

03] Der neue Name war und ist noch jetzt Landschnur, von welchem Namen später die sich dort aufhaltenden Franzosen einen Landjour daraus gemacht haben. Sonach bezeichnet das Wort Staff in dieser alten Bergsprache gewisserart ein Gericht, und Hochstaff ein hohes Gericht, und das darum, weil jeder Unbefugte, in die Zaubermysterien dieses Berges nicht Eingeweihte alsogleich auf das Schrecklichste gerichtet wurde, natürlich von den Hexenmeistern, wenn er sich erdreistete, diesen Berg nur so hoch zu besteigen, wo die Waldregion aufhört; denn ein solcher Gast wurde plötzlich von unsichtbaren Händen ergriffen, und in Blitzesschnelle, wie die Sage lautet, auf die höchste Spitze entrückt; dort wurde er von ebenfalls unsichtbaren Kräften mehrere Stunden lang auf das Schmerzvollste und Grausamste gequält, und mit Donnerstimmen genöthigt, dem Hexenbunde beizutreten; wollte er das nicht, so ward er von dem höchsten Punkte, der darum die hohe Freiung hieß, auf die untere Freiung geworfen, jedoch so zauberhaft, daß er nicht getödtet wurde. Auf der unteren Freiung kamen dann die zauberhaft reizendsten Sylphiden über ihn, und berauschten ihn durch den Reiz ihrer Gestalt; hat er sich ihnen da ergeben, so ward er sogleich wieder auf die hohe Freiung gehoben, und daselbst in ihre Mysterien eingeweiht. Wollte er aber sich durch den Sylphidenreiz nicht berücken lassen, so kam er entweder auf das Rutschbret des Teufels, und mußte dort eine schreckliche Reise in das Thal herab machen, bei welcher Reise freilich alle Glieder, wie ihr zu sagen pfleget, complet aus dem Leim gingen. Hatte er aber bei dem Sylphidenreize so einen halben Willen gezeigt, so wurde er auf den Goldeck gestellt, wo er von dem enormen Reichthume, der in Massen blanken Goldes bestand, geblendet ward; und war das auch noch nicht genug, so wurde er südwärts in die Gegend des silbernen Grabes geführt. Dieses war eigentlich kein Grab, sondern eine feenhaft wunderschönste Gegend dieses Berges, welche diesen Neugeworbenen so bezauberte, daß er nun nicht mehr umhinkonnte, dem Hexenbunde vollkommen beizutreten.

04] Natürlich alles dieses ist bloße Volkssage, und zwar zumeist des Volkes, welches die unterste Thalgegend bewohnte.

05] Die weiseren Bergbewohner, die wegen der Dummheit der unteren Thalbewohner nicht selten ein schändliches Strafgericht aushalten mußten, wußten von all' dem Hexenwesen nichts, wohl aber von den Geistern, die diesen Berg nach allen Richtungen, wie sonst selten einen andern Berg, überschwenglich reichlichst bewohnten. Warum denn gerade diesen Berg? Der Grund, warum solche Wesen oft einen Berg mehr als einen anderen in Besitz nehmen, ist verschieden; theils hängt es von der Lage und von einer gewissen Höhe des Berges ab, theils von dem Inhalte eines solchen Berges, meistens aber von einer ziemlich freien Stellung, nach der ein Berg von anderen Bergen von allen Seiten herum gewisserart abgeschnitten ist, damit die Geister anderer Berge, die oft böser Natur sind, nicht leichtlich zu diesen Geistern gelangen können, und Unordnung unter ihnen stiften. Hauptsächlich aber wird ein solcher Berg aus dem Grunde von obbeschriebenen Geistern in Besitz genommen, wenn er in Folge seiner freien Stellung eine reizende Aussicht nach allen Gegenden herum unbeschränkt gewährt; denn auch diese Geister haben sämmtlich das Vermögen, so sie wollen, die naturmäßige Welt anzuschauen; und indem sie auch zum sogenannten Wettermachen verwendet werden, und fortwährend ein wachsames Auge auf die benachbarten Gebirgsgeister haben müssen, so sind ihnen auch solche Berge am liebsten, wo sie in ihrer Wachehabung durch nichts beschränkt werden können. Solchen Geistern sind freilich auch schon vollkommnere Geister beigegeben, die sie beherrschen und leiten; aber dessen ungeachtet wird keinem Geiste für seine eigene Individualität seine Freithätigkeit und die mit ihr verbundene Wonne benommen.

06] Das wäre sonach ein hauptberühmter Berg dieses Landes. Ein zweiter seines Gelichters ist der Unholde, der noch ärger als der Hochstaff berüchtigt war; denn schon die Benennungen, die diesem Bergstocke noch heutiges Tages ankleben, wie auch seine nahe in's Mystische gehende wildromantisch-groteske Gestaltung sind mehr als sprechende Beweise von seiner einstigen zauberischen Berühmtheit. Wir wollen nur einige Namen seiner Ausläufer und seiner Räumlichkeiten anführen, die uns hinreichend belehren werden, wie es einst mit diesem Berge solle ausgesehen haben, aber natürlicher Weise nie also ausgesehen hat.

07] Die höchste Spitze dieses Berges heißt der hohe Stadl, d. i. so viel als ein hoher Platz und eine hohe Wohnung, in der die Hexen Winter und Sommer zugebracht haben. Eine Seitenspitze dieses Berges heißt auch die niedere, und eine sich über diese erhebende Spitze die hohe Freiung. Eine Freiung ist ein Platz, auf welchem auf früher beschriebene Weise ganz unschuldige Menschen zu Zauberern geworben wurden. Gleich unter diesen beiden Freiungen ist ein ziemlich gedehnter Platz, wo die neuen Ankömmlinge zaubern lernen mußten; dieser Platz heißt noch heut' zu Tage Zaubrad, oder der Zauberplatz.

08] Ueber diesem Zauberplatz erhebt sich mehr südlich eine andere Felsenkuppe unter dem Namen: Ruhdnik; das war der Platz der Erholung für die neuen Schüler der Zauberei. Unter dem Ruhdnik noch mehr südlich befand sich ein großer freier Platz unter dem Namen Gerlize. Das Wort Gerlize hat in der damaligen dummen Zaubersprache so viel geheißen, als ein Platz der ausgelassensten Freude, und zugleich auch ein Platz des Zauberspieles; daher noch heutiges Tages sich gegen die Felswände des hohen Stadels hinzu mehrere Quellen befinden, die nur genau um ½ 12 Uhr einen Wasserstrahl hinausstoßen, von welchen Quellen sich bis jetzt nur eine erhalten hat, und noch heutiges Tages Halbzwölfuhr-Bründl heißt.

09] Noch mehr südlich von diesem Platze erhebt sich die noch heutiges Tages sogenannte hohe Truth, deren Name bezüglich der einstigen Bedeutung kaum näher beschrieben werden darf. Ober dieser hohen Truth kommt die sogenannte rothe Wand, auch Blutwand genannt, und an diese sollen Abtrünnlinge oder Verräther des Zauberthums von den Teufeln geschleudert worden sein.

10] Wieder ober dieser hohen rothen Wand befindet sich die sogenannte Dreihexenspitze, nach der jetzigen Sprache auch Dreihexenköffel, welche fortwährend von den drei ärgsten Hexen bewohnt war, die da Wache halten mußten.

11] Ober dieser Dreihexenspitze erhebt sich der ziemlich steile Rücken bis zum hohen Stadl unter dem Namen Hexenstieg, welcher sich, wie schon bemerkt, bis zur höchsten Spitze hinanzieht, auf welcher der Stadl oder die Burg des Hexenköniges war. Nördlich parallel mit der höchsten Spitze läuft ein zehn Klaftern langer und bei drei Klaftern breiter Felsenkamm; dieser hat jetzt den Namen: Hohebrüstung, früher aber hieß er Hexentrui. Trui heißt so viel als Trieb; da wurden sie hinausgetrieben in die freie Luft, und mußten die Nebel ergreifen, die aus der Spitze, Namens Deuwand (in neuere Sprache übersetzt: Teufelswand) aufstiegen.

12] Mehr nördlich von der Deuwand ist die Deudreispitz'; noch mehr nördlich der böse Sieg, und noch etwas mehr nördlich die hohe Siebenwand, auch hohle Spitze genannt, welche von den allerärgsten Geistern sollte bewohnt worden sein.

13] Mehr südlich vom hohen Stadl befindet sich eine sehr steile Spitze unter dem Namen: die verdammte Bucht, in der neueren Zeit auch: Sandriß. Noch mehr südlich, aber etwas tiefer unten ist der Teufelsgalgen, und von da etwas mehr südwestlich das böse Weib.

14] Aus diesem Namen geht ganz klar hervor, in welcher Berühmtheit einst dieser Gebirgsstock gestanden ist; schon der alleinige Name: Unholden zeigt hinreichend den einstig gekannten Charakter dieses Gebirges, welches zum Theil Kärnthen und zum Theil Tirol, und auch einen tüchtigen Theil von Welschland beherrschte.

15] Daß hinter diesen Sagen wieder nichts Anderes steckt, als was Ich nun schon bis zum sonnenklarsten Anschauen erklärte, versteht sich von selbst.

16] Eben dieser Hochstadl ist auch ein so freigestellter Berg, und daher ein Lieblingsaufenthalt solcher euch schon bekannt gemachter, mehr frei gewordener Naturgeister, welche mit den am Fuße dieses Berges wohnenden Landleuten in euch schon bekanntem Conflicte standen; daß sich aber an den Namen dieses Berges und seiner Ausläufer so manche traurige Hexeninquisitionsgeschichte knüpft, das braucht kaum einer näheren Erörterung; denn an der Drau ist noch heutiges Tages die Hexenrichtstätte der alten Herrschaft Flaschberg ersichtlich, deren Name schon eine hinreichende Beschreibung in sich schließt von dem, was einst hier verübt wurde.


17] Aehnliche Berge giebt es in Tirol noch eine Menge; so ist die Gantspitze, der hohe böse Ring, der böse Stein, der hohe Helm, der Brenner, der Oetzer, die Vintschgauer Hochkuppe, das Wurmserjoch und dergleichen noch mehrere überaus berüchtiget; in der Schweiz das bekannte Wetterhorn, das finstere Achhorn, der hohe Mönch, das Wöllerhorn, die Pilatusspitze, auch der Bernhardsberg, die Teufelsbrücke und dergleichen noch eine Menge, lauter Berge von gleichem Kaliber.

18] Doch im höchsten Grade berüchtiget sind die Berge Savoyens; denn da waren nach den Volkssagen die höchsten Häupter der bösen Geister zu Hause, und jeder Savoyarde war noch vor eben nicht gar zu langer Zeit mit einer derartigen Verachtung angesehen, daß man ihn kaum für etwas höher hielt, als die Thiere; so wie auch noch vor nicht gar langer Zeit die Bewohner der Pyrenäen unter dem Namen Chacots von den Spaniern mehr als der gemeinste Hund verachtet wurden.

19] Nachdem wir nun zur Beleuchtung des Daseins der Geister in unserer zweiten Region durch diese Histörchen hinreichend viel erörternd dargethan haben, und nun sehen, wie es in dieser zweiten Region zugeht, so werden wir uns fürs Nächste sogleich in die erste Region herab begeben und sehen, wie es da geistig zugeht.

01] In einer Gegend des oberen Kärntens, und zwar unfern des Draustromes, befindet sich ein Berg unter dem Namen der »Hohestaff«. Dieser Berg beherrscht mit seiner Spitze das Drautal beinahe von der Grenze Tirols bis gegen Klagenfurt, d.h. bis in die Nähe dieser Stadt; zugleich ist südwestlicherseits an dessen Fuß der sogenannte »Weiße See« angelehnt. Er hat eine Höhe von 8000 Fuß, und von seiner Spitze genießt sicher jeder, der ihn bestiegen hat, die bezauberndste Aussicht. Dieser Berg war einst überaus berüchtigt und war sozusagen ein Hauptsammelplatz für die Hexen und deren Meister, - natürlich nach der Sage der noch jetzt lebenden Landleute, welche diesen Berg nach allen Seiten herum bewohnen. Seine Ausläufer hatten die noch jetzt führenden Namen von seiner einstigen zauberischen Berühmtheit erhalten; so nennt man einen Ausläufer nach Norden den »Goldeck«, einen nach Nordwest die »Siflitz«, einen nach Westen »Bärenbuck«, einen nach Süden das »Silberne Grab«; den senkrechten Felsen der höchsten Spitze nennt man die »Hohe Freiung « und eine etwas unter dieser liegende Wand die »Unterfreiung«, so wie der Sattel zwischen dem Hohen und Niederen Staff manchesmal »Hexen-« und manchesmal »Teufelsritt« heißt. So ist auch vor eben diesem Sattel ein nackter Steingraben, welcher das »Rutschbrett des Teufels« genannt wird; auch ein anderer Graben, der sich gegen Westen neigt, heißt das »Wilde G'jagd«. Diese Benennungen und noch mehrere dergleichen, die sich an diesen Berg anreihen, als: ein »Hexensprung«, »Teufelsritt« »Wehrwolfsnest« und dergleichen noch eine Menge, bezeichnen hinreichend, in welchem Ansehen einst dieser Berg gestanden ist. Abgesehen aber von allen diesen Seitenbenennungen genügt schon der Name »Staff«, um zu sehen, daß das ein Hauptzauberberg war.

02] Das Wort »Staff« war bei diesen früheren Gebirgsbewohneen ein Ausdruck, durch den sie die Eigenschaft eines außerordentlichen Dinges bezeichneten. Außerordentlich aber war bei ihnen dasjenige, was sowohl für die Elemente, als da sind Luft mit ihren Erscheinungen und das Wasser mit den seinigen, sowie auch für Menschen und Tiere als ein Richtpunkt diente, aus welchem Grunde man in späterer Zeit diesem Berge einen neuen Namen gab, welcher den ersten nur gewisserart in ein mehr neues Deutsch übersetzte.

03] Der neue Name war und ist noch jetzt »Landschnur«, von welchem Namen später die sich dort aufhaltenden Franzosen einen »Landjour« gemacht haben. Sonach bezeichnet das Wort »Staff« in dieser alten Bergsprache gewisserart ein Gericht und »Hochstaff« ein hohes Gericht, und das darum, weil jeder Unbefugte, in die Zaubermysterien dieses Berges nicht Eingeweihte, alsogleich auf das schrecklichste gerichtet wurde, natürlich von den Hexenmeistern, wenn er sich erdreistete, diesen Berg nur so hoch zu besteigen, wo die Waldregion aufhört; denn ein solcher Gast wurde plötzlich von unsichtbaren Händen ergriffen und in Blitzesschnelle, wie die Sage lautet, auf die höchste Spitze entrückt. Dort wurde er von ebenfalls unsichtbaren Kräften mehrere Stunden lang auf das schmerzvollste und grausamste gequält und mit Donnerstimme genötigt, dem Hexenbunde beizutreten; wollte er das nicht, so ward er von dem höchsten Punkte, der darum die »Hohe Freiung« hieß, auf die »Untere Freiung« geworfen, jedoch so zauberhaft, daß er nicht getötet wurde. Auf der Unteren Freiung kamen dann die zauberhaft reizendsten Sylphiden über ihn und berauschten ihn durch den Reiz ihrer Gestalt; hat er sich ihnen da ergeben, so wand er plötzlich wieder auf die Hohe Freiung gehoben und daselbst in ihre Mysterien eingeweiht. Wollte er aber sich durch den Sylphidenreiz nicht berücken lassen, so kam er auf das Rutschbrett des Teufels und mußte dort eine schreckliche Reise in das Tal herab machen, bei welcher Reise freilich alle Glieder, wie ihr zu sagen pfleget, komplett ans dem Leim gingen. Hatte er aber bei dem Sylphidenreize so einen halben Willen gezeigt, so wurde er auf den Goldeck gestellt, wo er von dem enormen Reichtume, der in Massen blanken Goldes bestand, geblendet ward. Und war das auch noch nicht genug, so wurde er südwärts in die Gegend des Silbernen Grabes geführt. Dieses war eigentlich kein Grab, sondern eine feenhaft wunderschönste Gegend dieses Berges, welche diesen Neugeworbenen so bezauberte, daß er nun nicht mehr umhin konnte, dem Hexenbunde vollkommen beizutreten.

04] Natürlich ist alles dieses bloße Volkssage, und zwar zumeist des Volkes, welches die unterste Talgegend bewohnte.

05] Die weiseren Bergbewohner, die wegen der Dummheit der unteren Talbewohner nicht selten ein schändliches Strafgericht aushalten mußten, wußten von all dem Hexenwesen nichts, wohl aber von den Geistern, die diesen Berg nach allen Richtungen, wie sonst selten einen andern Berg, überschwenglich reichlichst bewohnten. - Warum denn gerade diesen Berg? - Der Grund, warum solche Wesen oft einen Berg mehr als einen anderen in Besitz nehmen, ist verschieden; teils hängt es von der Lage und von einer gewissen Höhe des Berges ab, teils von dem Inhalte eines solchen Berges, meistens aber von einer ziemlich freien Stellung, nach der ein Berg von anderen Bergen von allen Seiten herum gewisserart abgeschnitten ist, damit die Geister anderer Berge, die oft böser Natur sind, nicht leichtlich zu diesen Geistern gelangen können und Unordnung unter ihnen stiften. Hauptsächlich aber wird ein solcher Berg aus dem Grunde von obbeschriebenen Geistern in Besitz genommen, wenn er infolge seiner freien Stellung eine reizende Aussicht nach allen Gegenden herum unbeschräntt gewährt. Denn auch diese Geister haben sämtlich das Vermögen, so sie wollen, die naturmäßige Welt anzuschauen; und indem sie auch zum sogenannten Wettermachen verwendet werden und fortwährend ein wachsames Auge auf die benachbarten Gebirgsgeister haben müssen, so sind ihnen auch solche Berge an liebsten, wo sie in ihrer Wachhabung durch nichts beschränkt werden können. Solchen Geistern sind freilich auch schon vollkommenere Geister beigegeben, die sie beherrschen und leiten; aber dessenungeachtet wird keinem Geiste für seine eigene Individualität seine Freitätigkeit und die mit ihr verbundene Wonne benommen.

06] Das wäre sonach ein hauptberühmter Berg dieses Landes. Ein zweiter seines Gelichters ist der »Unholde«, der noch ärger als der Hochstaff berüchtigt war; denn schon die Benennungen, die diesem Bergstocke noch heutigentages ankleben, wie auch seine beinahe ins Mystische gehende wildromantisch-groteske Gestaltung sind mehr als sprechende Beweise von seiner einstigen zauberischen Berühmtheit. Wir wollen nur einige Namen seiner Ausläufer und seiner Räumlichkeiten anführen, die uns hinreichend belehren werden, wie es einst mit diesem Berge ausgesehen haben soll, aber natürlicherweise nie also ausgesehen hat.

07] Die höchste Spitze dieses Berges heißt der »Hohe Stadl«, d.i. soviel als ein hoher Platz und eine hohe Wohnung, in der die Hexen Winter und Sommer zugebracht haben. Eine Seitenspitze dieses Berges heißt auch die »Niedere Freiung« und eine sich über diese erhebende Spitze die »Hohe Freiung«. Eine Freiung ist ein Platz, auf welchem auf früher beschriebene Weise ganz unschuldige Menschen zu Zauberern geworben wurden. Gleich unter diesen beiden Freiungen ist ein ziemlich gedehnter Platz, wo die neuen Ankömmlinge zaubern lernen mußten; dieser Platz heißt noch heutzutage »Zaubrad« oder der »Zauberplatz«.

08] Über diesem Zauberplatz erhebt sich mehr südlich eine andere Felsenkuppe unter dem Namen »Ruhdnik«; das war der Platz der Erholung für die neuen Schüler der Zauberei. Unter dem Ruhdnik noch mehr südlich befand sich ein großer, freier Platz unter dem Namen »Gerlize«. Das Wort »Gerlize« hat in der damaligen dummen Zaubersprache so viel geheißen als: ein Platz der ausgelassensten Freude und sogleich auch ein Platz des Zauberspieles; daher noch heutigentags sich gegen die Felswände des Hohen Stadels hinzu mehrere Quellen befinden, die nur genau um 1/2 12 Uhr einen Wasserstrahl hinausstoßen, von welchen Quellen sich bis jetzt nur eine noch erhalten hat und »Halbzwölfuhrbrünndl« heißt.

09] Noch mehr südlich von diesem Platze erhebt sich die noch heutigentags so genannte »Hohe Truth«, deren Name bezüglich der einstigen Bedeutung kaum näher beschrieben werden darf. Über dieser Hohen Truth kommt die sogenannte »Rote Wand« auch »Blutwand« genannt, und an diese sollen Abtrünnige oder Verräter des Zaubertums von den Teufeln geschleudert worden sein.

10] Wieder über dieser hohen Roten Wand befindet sich die sogenannte »Dreihexenspitze«, nach der jetzigen Sprache auch »Dreihexenköffel«, welche fortwährend von den drei ärgsten Hexen bewohnt war, die da Wache halten mußten.

11] Ober dieser Dreihexenspitze erhebt sich der ziemlich steile Rücken bis zum Hohen Stadl unter dem Namen »Hexenstieg«, welcher sich - wie schon bemerkt - bis zur höchsten Spitze hinanzieht, auf welcher der Stadl oder die Burg des Hexenkönigs war. Nördlich, parallel mit der höchsten Spitze, läuft ein zehn Klafter langer und bei drei Klafter breiter Felsenkamm; dieser hat jetzt den Namen »Hohebrüstung«, früher aber hieß er »Hexentrui«. »Trui« heißt soviel als »Trieb«; da wurden sie hinausgetrieben in die freie Luft und mußten die Nebel ergreifen, die aus der Spitze, namens »Deuwand« (in neuere Sprache übersetzt: »Teufelswand«) aufstiegen.

12] Mehr nördlich von der Deuwand ist die Deudreispitz'; noch mehr nördlich der Böse Sieg, und noch etwas mehr nördlich die hohe Siebenwand, auch »Hohle Spitze« genannt, welche von den allerärgsten Geistern sollte bewohnt worden sein.

13] Mehr südlich vom Hohen Stadl befindet sich eine sehr steile Spitze unter dem Namen: die »Verdammte Bucht«, in der neueren Zeit auch »Sandriß«. Noch mehr südlich, aber etwas tiefer unten, ist der Teufelsgalgen, und von da etwas mehr südwestlich das Böse Weib.

14] Aus diesen Namen geht ganz klar hervor, in welcher Berühmtheit einst dieser Gebirgsstock gestanden ist. Schon der alleinige Name »Unholden« zeigt hinreichend den einstig gekannten Charakter dieses Gebirges, welches zum Teil Kärnten, zum Teil Tirol und auch einen tüchtigen Teil von Welschland beherrschte.

15] Daß hinter diesen Sagen wieder nichts anderes steckt als was Ich nun schon bis zum sonnenklarsten Anschauen erklärte, versteht sich von selbst.

16] Eben dieser Hochstadl ist auch ein so frei gestellter Berg und daher ein Lieblingsaufenthalt solcher euch schon bekanntgemachter, mehr frei gewordener Naturgeister, welche mit den am Fuße dieses Berges wohnenden Landleuten in euch schon bekanntem Konflikte (Kontakte?, d.Hsg.) standen. Daß sich aber an den Namen dieses Berges und seiner Ausläufer so manche traurige Hexeninquisitionsgeschichte knüpft, das braucht kaum einer näheren Erörterung; denn an der Drau ist noch heutigentags die Hexengerichtsstätte der alten Herrschaft Flaschberg ersichtlich, deren Name schon eine hinreichende Beschreibung von dem in sich schließt, was einst hier verübt wurde.

17] Ähnliche Berge gibt es in Tirol noch eine Menge; so ist die Gantspitze, der Hohe böse Ring, der Böse Stein, der Hohe Helm, der Brenner, der Ötzer, die Vintschgauer Hochkuppe, das Wurmserjoch und dergleichen noch mehrere, überaus berüchtigt, in der Schweiz das bekannte Wetterhorn, das Finstere Achhorn, der Hohe Mönch, das Wöllerhorn, die Pilatusspitze, auch der Bernhardsberg, die Teufelsbrücke und dergleichen noch eine Menge, - lauter Berge von gleichem Kaliber.

18] Doch im höchsten Grade berüchtigt sind die Berge Savoyens. Denn da wären nach den Volkssagen die höchsten Häupter der bösen Geister zu Hause, und jeder Savoyarde war noch vor eben nicht gar zu langer Zeit mit einer derartigen Verachtung angesehen, daß man ihn kaum für etwas höher hielt als die Tiere, so wie auch noch vor nicht gar langer Zeit die Bewohner der Pyrenäen unter dem Namen »Chacots« von den Spaniern mehr als der gemeinste Hund verachtet wurden.

19] Nachdem wir nun zur Beleuchtung des Daseins der Geister in unserer zweiten Region durch diese Histörchen hinreichend viel erörternd dargetan haben und nun sehen, wie es in dieser zweiten Region zugeht, so werden wir uns fürs nächste sogleich in die erste Region herabbegeben und sehen, wie es da geistig zugeht.


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