Jakob Lorber: 'Bischof Martin - Die Entwicklung einer Seele im Jenseits'


173. Kapitel: Fortsetzung der Predigt Bischof Martins an die Sonnenmenschen. Unterschied der Lebensverhältnisse auf Sonne und Erde.

Originaltext 1. Auflage 1896 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text u. Versnummerierung nach 3. Auflage 1960 Lorber-Verlag

01] Eure Welt ist uns eine Sonne, ohne der wir kein Leben hätten, sie giebt uns Licht und Wärme; ihr aber bewohnet sie und kennet keine Nacht und keinen Winter!" (Den August 1848.)

02] Wisset ihr wohl, was eine Sonne ist? ja, ja, bei aller eurer Weisheit wisset ihr kaum, was da eine Sonne ist, weil ihr selbst Bewohner einer Sonne seid.

03] Ihr kennet kaum den Vortheil, Bewohner einer Sonne zu sein; ich kannte ihn eher auch nicht, als ich noch auf meinem armseligsten Planeten gleich einem Wurme herumkroch; aber nun kenne ich ihn, und kann euch darum sagen, daß ich als ein nun weiser gewordener Geist gar keinen Ausdruck finden kann, durch den es mir möglich wäre, euch darzuthun, wie groß der Vortheil ist, ein Bewohner der Sonne zu sein, wie entsetzlich kümmerlichst dagegen ein Bewohner, besonders meines Weltkörpers gestellet ist, in allen seinen naturmäßigen Verhältnissen; es giebt für ihn höchstens flüchtige Augenblicke kaum, von denen er sagen kann: Sie vergnügten mich!

04] Die große Härte und Magerkeit des Bodens zwingt den armen Menschen, sein Brod im blutigen Schweiße seines Angesichtes sich zu erarbeiten; weil aber dies schwere Arbeiten manchen schon von Geburt aus weicheren Naturen nicht munden will, so betteln sie, oder so sie mächtig genug sind, da nehmen sie dann wohl auch den Thätigern mit Gewalt ihren allfälligen Vorrath weg, und verzehren ihn;

05] mit der Zeit dingen solche Menschen eine Menge Gleichgesinnter, die nicht mehr arbeiten, sondern blos auf solchen Raub ausgehen, und die fleißigen Arbeiter auf alle mögliche Art, und unter allerlei Vorwänden, die wie ein Recht schimmern, bedrücken, und von ihnen gewisse Steuern fordern, und die Arbeiter dabei aber dennoch für viel geringer halten als sich selbst.

06] Mit der Zeitenfolge bilden sich dann aus solchen anfangs Arbeitsscheuen mächtige Herren, die die Arbeiter und Brodbereiter beherrschen, mit ihnen thun, was sie wollen, und ihnen aber nichts dafür geben, als blos nur Gesetze über Gesetze, die zumeist auf den Vortheil solcher Gesetzgeber abgesehen sind, darum auch deren Beobachtung unter den schärfsten Strafen im Verweigerungsfalle geboten wird, was das kummervolle Leben eines Brodbereiters noch ums tausendfache erhöhet und elender machet!

07] Werden hie und da die Arbeiter zu sehr gedrückt, so erheben sie sich dann nicht selten in großem Zorne, ziehen in großen Schaaren gegen ihre Bedrücker, und tödten sie oft zu großen Haufen, wobei sie aber dann auch gewöhnlich das eigene Leben einbüßen.

08] Solche zornentbrannte Bewegungen heißen bei uns Kriege, und so sie anfangen, da nehmen sie dann aber auch gewöhnlich nicht eher ein Ende, als bis nicht selten eine Partei die andere entweder ganz aufgerieben hat, oder die schwächere ist während des Mordens zu der Einsicht gekommen, daß sie der mächtigeren durchaus nicht gewachsen ist, und sich also ergiebt auf Gnade oder Ungnade, wo dann freilich wieder der Friede hergestellt wird!

09] Aber was für ein Friede? Ich sage euch: Ein Friede der Hölle, und kein Friede der Himmel! Denn da wird der Besiegte zum Sklaven, und muß sich wegen seiner Ohnmacht nicht selten Gesetze gefallen lassen, durch die nicht nur sein armer, oft mit vielen Wunden überdeckter Leib, sondern auch sein Geist mit den schwersten Ketten und Banden geknebelt wird!

10] Und ein solcher Zustand dauert dann nicht etwa eine kurze Zeit, sondern nicht selten tausend von langen Erdjahren fort! Dabei aber bleibt die Natur der Erde dennoch stets die gleiche; bald Nacht, bald wieder ein elender Leidenstag, bald ein alles erstarren machender Winter, darauf wieder ein so heißer Sommer, der die ehernen Ketten und Bänder noch glühender und unerträglicher macht, als der todstarre Winter!

11] Mangel an Nahrung erzeugt einen Schmerz im Magen, den wir Hunger nennen, der oft bei unfruchtbaren Jahren so groß wird, daß Viele daran sterben!

12] O Freunde, vergleichet dies Leben mit dem eurigen, und saget es selbst, ob eure Weisheit wohl irgend Worte findet, durch die der ungeheuere Vortheil des eurigen genügend bezeichnet werden könnte? Ihr saget: So ein Leben ist ja kein Leben, sondern eine scheußlichste Qual desselben nur! Wie können da Menschen bestehen, und wie loben ihren Schöpfer?

13] Ich sage euch aber, obschon eure Frage gerecht ist, daß es dort dennoch sehr viele Menschen giebt, die ihren Schöpfer desto mehr lieben und loben, je ärger es ihnen geht! Was saget ihr denn dazu?

14] Ihr saget: - Freund! das ist unmöglich! wie kann ein über alles guter Schöpfer irgendwo Seinen Geschöpfen so Arges geben, und verlangen, daß sie Ihn dafür noch loben und lieben sollen! Wahrlich, wenn so, da haben die armen Bewohner der Erde noch nie ihren rechten Schöpfer erkannt! oder erkennen sie Ihn, da sind sie Narren, so sie Ihm für so ein Leben danken, oder Ihn gar noch lieben dazu!

15] Ich sage euch, auch diese eure antwortlich gestaltete Gegenfrage ist zur Folge eures so endlos bevorzugten Lebens gerecht; aber, was saget denn ihr dann dazu, daß der Schöpfer den Menschen meines Planeten sogar die schärfsten ewigen Strafen im Feuer der Hölle zur sichersten Folge gesetzet hat, so sie Ihn bei allen Qualen ihres irdischen Lebens nicht über alles lieben, ihre Feinde und Quäler nicht segnen, für die nicht beten, die ihnen fluchen! und so sie Gott dem Schöpfer nicht für alles, was Er ihnen an Wohl oder Wehe giebt, aus allen ihren Kräften, die ihnen bei all den Martern noch übrig bleiben, dankbar sind! - Saget, was dünket euch da?

16] Wie gefällt euch, daß der Herr auf jenem Planeten gerade diejenigen am meisten züchtiget, die Ihm am meisten und von ganzer Seele zugethan sind? und daß sich Seine barsten Verächter oft und fast meistens im besten Wohlstande befinden, d. h. was man auf meiner Welt Wohlstand nennt, der freilich mit dem eurigen nicht zu vergleichen ist?

17] O redet, Freunde! gebet mir kund euer Urtheil, ihr Glücklichsten! Ihr seid förmlich stumm! - Ich muß euch schon noch Mehreres sagen, auf daß ihr dann desto leichter ein volles Urtheil schöpfen könnet! und so höret:

18] Ich brauche euch nicht allzeit euren herrlichsten Zustand zu schildern, um dagegen den elendsten meiner Welt recht leuchtend vor eure Augen zu stellen; denn ich weiß es, daß ihr den euren ohnehin viel besser kennet, als ich; aber ich will euch dafür den Zustand meiner Welt desto klarer vor die Augen stellen und mich etwas weitwendiger fassen, und ihr werdet mit eurer gediegensten Weisheit und mit euren schärfsten Blicken dann schon von selbst gar leicht zu beurtheilen im Stande sein, wie die Bewohner meiner Erde zuständlich sich zu euch verhalten! Da ihr über das, was ich euch bis nun mittheilte, schon nahe athemlos dastehet, da bin ich wahrlich sehr neugierig, was ihr zu dem sagen werdet, was ich euch nun weiter mittheilen werde?

19] Ich habe euch schon ehedem gesagt, daß meine Welt durchaus sehr hart ist, natürlich, wie geistig oder moralisch; nur mittelst schwerster, alle Kräfte anstrengender Arbeit, kann ihrem Boden eine Nahrung des Fleisches abgewonnen werden; bevor man aber dennoch mit Erfolg arbeiten kann, muß man sich noch tausend Werkzeuge anfertigen, mit deren Hilfe man dem harten Boden der Erde etwas abgewinnen kann.

20] Nun haben sich mit den höchst veränderlichen Zeitenfolgen die Dinge und Verhältnisse auf dieser meiner Welt unter den Menschen so gestaltet, daß da nur der wenigste Theil der Menschen einen Grund und Boden besitzet; der beiweitem größte Theil hat nichts, und muß dem besitzenden Theile um schlechten Sold, und um nicht selten die allermagerste Kost einen puren leibeigenen Sklaven willig machen. Wenn der Besitzer auf seiner gewöhnlich arbeitsscheuen Haut liegend, und sich möglichst wohlgeschehen lassend, einen solchen Sklaven irgend seine müden Glieder ausruhend erschaut, da giebt er ihm sogleich die härtesten Mahnreden, die gewöhnlich mit einer Drohung enden, die aber beim nächsten Betreten meistens schon in die volle Ausübung gebracht werden.

21] Gar viele dieser Besitzer scharren oft viele tausendmale mehr zusammen, als sie und ihre Kinder in tausend Jahren verzehren könnten!

22] Nun kommt aber der harte, alles erstarren machende Winter; für diesen haben die reichen Besitzer gute Häuser, und wohlvermachte Gemächer, die sie mittelst eines künstlich erzeugten Feuers recht angenehm erwärmen können, und haben in solchen Zimmern oder Gemächern warme und weiche Betten zum Ruhen.

23] Aber die gar übervielen besitzlosen Armen müssen mit schlechter Bekleidung, und nicht selten hungrig, krank und elend in den schlechtesten Löchern ihr Leben zubringen; und wenn es ihnen nicht selten auch schon so schlecht geht, daß sie, wie es häufig der Fall ist, zu vielen Tausenden verhungern und verzweifeln müssen, so lassen sich darum die reichen Besitzer dennoch kein graues Sorgenhaar wachsen, sondern sie sehen ganz behaglich zu, und sagen: Es ist wohl gut, daß solch ein überflüssiges Bettelgesinde verendet, und wir von ihm nicht so sehr gequälet und belästiget werden.

24] Aber eben solche Noth, die sie am meisten bei den Armen bewirken, benützen sie dann noch mehr zu ihrem Besten; sie wuchern unmenschlich mit den in großen Massen aufgeschichteten Lebensmitteln; wer ihnen nicht das giebt oder wenigstens nicht geben kann, was sie verlangen, der kann vor ihrer Thüre verhungern, und sie werden darum nicht um ein Haar weicher in ihrem Herzen.

25] So himmelschreiend ungerecht aber auch eine solche Sache ist, so thut aber der Schöpfer dennoch so zu sagen nichts dabei; die Tage und Nächte wechseln regelmäßig; der Regen fällt und segnet die Felder der Reichen, mehr denn die der Armen, die nicht so viele Mittel haben, ihre ohnehin magersten Antheile nach Erforderniß zu bestellen; die Fruchtbäume der Reichen strotzen meistens vom Segen, während die der Armen nicht selten verkümmert, halbverdorrt und fruchtlos dastehen. Die harten Reichen haben alles im gesegnetsten Ueberfluße, während die Armen oft im kaum beschreiblichen Elende verschmachten und zu Grunde gehen!

26] Und wie gesagt, solch ein himmelschreiendes höllisches Treiben wird vom Schöpfer mit einer sogestalteten Gleichgültigkeit nicht selten viele Jahre lang geduldet, als wenn das gar nichts wäre; und wenn Er schon dann und wann, aber freilich nur vermuthlich durch blutige Thränenbitten der Armen erweichet wird, und etwa ein Gericht über die Erde sendet, das aber freilich nur den Schein hat, als käme es von Ihm, so trifft dann solch ein Gericht wieder hauptsächlich die Armen und Schwachen, während die Reichen gewöhnlich zumeist mit heiler Haut davon kommen, und Manche während eines solchen Gerichts nur reicher und irdisch glücklicher werden!

27] Kommt ein Gerichtskrieg, da müssen für die reichen Besitzer zu allermeist die armen Nichtsbesitzer ins Schlachtfeld, und müssen sich für die ohnehin glücklichen Besitzer todtschlagen lassen, wofür sie nichts als einen kärgsten Sold bekommen; dafür aber wird dann den Reichen ihr Besitz wieder gesichert, und so die Armen dann vom Schlachtfelde heimkehren, oft ganz verstümmelt, mit einem Fuße, mit einer Hand, und mit tausend Wundnarben, da müssen sie betteln um ein elendes Stück Brod, und kommen sie vor die Thüre eines Reichen, da werden sie nicht selten wie ein gemeinstes Thier hinweggeschafft, bekommen nichts als oft die ruchlosesten Schmähworte, und werden davon getrieben, so sie nicht selbst gehen wollten!

28] Und sehet, dennoch dürfen sie nicht Uebles wünschen solchen reichen Thätern des Uebels, sondern sie noch segnen, und ihren Quälern und Peinigern von ganzem Herzen vergeben, ansonst sie noch von Gott aus der ewigen Strafe in der Hölle verfallen können!

29] Wie es aber mit dem Kriege als einem Gottesgerichte aussieht, das da nemlich allzeit am meisten die ohnehin Elendsten am härtesten trifft, also ist es auch mit allen andern Gerichten der gleiche Fall; die Armen und Elenden trifft jedes am stärksten, während die Herz- und gefühllosen Reichen und Glücklichen zumeist mit der heilen Haut, wie ich schon früher erwähnt habe, davon kommen!

30] Und dennoch sind es zumeist eben nur die Armen, die an dem Herrn hängen, an Ihn glauben, zu Ihm beten, so gut sie's können; die glücklichen Reichen aber haben selten einen halben Glauben kaum, meistens wohl auch gar keinen, und haben in ihren steinfesten Herzen wohl sehr wenig Liebe zu Gott, beten wenig oder gar nicht, und erlauben sich nicht selten, Ihn samt Seinem Gesetze auf das schmählichste zu verhöhnen.

31] Ein Stück Goldes, ein gutes Essen, und eine junge, gaile, fette Dirne, mit der sie die schändlichste Unzucht treiben können, ist ihnen lieber um tausend Male, als Gott, Der für sie so gut wie keiner ist, und viel tausend Male mehr, als jene, die im Schweiße ihres Angesichtes für sie die schwersten Arbeiten verrichten, und mit ihrem ohnehin ärmsten Leben für ihre Sicherheit Wache halten Tag und Nacht, und Sommer und Winter.

32] Aber bei aller solcher ihrer völligsten Gottlosigkeit sind sie irdisch glücklich, werden nie durch die Armen, sondern durch ihres Gleichen in ihrem Ueberflusse manchmal beeinträchtigt, befinden sich aber dann selbst als Unglückliche gewöhnlich noch um tausendmal besser, als die glücklichsten Armen, die nie außer Elend über Elend etwas besessen haben.

33] Freunde, was saget ihr denn dazu, wie gefällt euch dieses Verhältnis des Lebens eines Menschen auf jenem Sterne, den ihr gemeinhin den heiligen nennet?"

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01] »Eure Welt ist uns eine Sonne, ohne die wir kein Leben hätten. Sie gibt uns Licht und Wärme; ihr aber bewohnt sie und kennt keine Nacht und keinen Winter.

02] Wißt ihr wohl, was eine Sonne ist? - Ja, bei aller eurer Weisheit wißt ihr kaum, was da eine Sonne ist, weil ihr eben selbst Bewohner einer Sonne seid!

03] Ihr kennt kaum den Vorteil, Bewohner einer Sonne zu sein. Ich kannte ihn eher auch nicht, als ich noch auf meinem armseligsten Planeten gleich einem Wurme herumkroch. Nun aber kenne ich ihn und kann euch darum sagen, daß ich als ein nun weiser gewordener Geist gar keinen Ausdruck finden kann, durch den es mir möglich wäre, euch darzutun, wie groß der Vorteil ist, ein Bewohner der Sonne zu sein. Wie entsetzlich kümmerlich ist dagegen ein Bewohner besonders meines Weltkörpers gestellt in allen seinen naturmäßigen Verhältnissen! Es gibt für ihn höchstens flüchtige Augenblicke, von denen er sagen kann, sie vergnügten ihn.

04] Die große Härte und Magerkeit des Bodens zwingt den armen Menschen, sein Brot im blutigen Schweiße seines Angesichtes sich zu erarbeiten. Weil aber dies schwere Arbeiten manchen schon von Geburt aus weicheren Naturen nicht munden will, so betteln sie. Oder so sie mächtig genug sind, nehmen sie dann wohl auch den Tätigeren mit Gewalt ihren Vorrat weg und verzehren ihn.

05] Mit der Zeit dingen solche Menschen eine Menge Gleichgesinnter, die nicht mehr arbeiten, sondern bloß auf solchen Raub ausgehen. Sie bedrücken die fleißigen Arbeiter auf alle mögliche Art und unter allerlei Vorwänden, die wie ein Recht schimmern, und fordern von ihnen gewisse Steuern, wobei sie die Arbeiter dennoch für viel geringer halten als sich selbst.

06] Mit der Zeit bilden sich dann aus solchen anfangs Arbeitsscheuen mächtige Herren, die die Arbeiter und Brotbereiter beherrschen und mit ihnen tun, was sie wollen. Dafür geben sie ihnen bloß nur Gesetze über Gesetze, die zumeist auf den Vorteil solcher Gesetzgeber abgesehen sind. Darum auch ihre Beachtung unter den schärfsten Strafen im Verweigerungsfalle geboten wird, was das kummervolle Leben eines Brotbereiters noch ums tausendfache erhöht und elender macht.

07] Werden hie und da die Arbeiter zu sehr gedrückt, so erheben sie sich dann nicht selten in großem Zorne, ziehen in großen Scharen gegen ihre Bedrücker und töten sie oft zu großen Haufen, wobei sie aber gewöhnlich auch das eigene Leben einbüßen.

08] Solche zornentbrannten Bewegungen heißen bei uns Kriege. Und so sie anfangen, da nehmen sie dann gewöhnlich nicht eher ein Ende, als bis nicht selten eine Partei die andere entweder ganz aufgerieben hat, oder bis die schwächere während des Mordens zur Einsicht gekommen ist, daß sie der mächtigeren durchaus nicht gewachsen ist und sich auf Gnade oder Ungnade ergibt, wo dann freilich wieder Friede hergestellt wird.


09] Aber was für ein Friede? Ich sage euch: ein Friede der Hölle und kein Friede der Himmel! Denn da wird der Besiegte zum Sklaven und muß sich wegen seiner Ohnmacht nicht selten Gesetze gefallen lassen, durch die nicht nur sein armer, oft mit vielen Wunden überdeckter Leib, sondern auch sein Geist mit schwersten Ketten und Banden geknebelt wird.

10] Ein solcher Zustand dauert dann nicht etwa eine kurze Zeit, sondern nicht selten Tausende von langen Erdenjahren fort. Dabei aber bleibt die Natur der Erde dennoch stets die gleiche: bald Nacht, bald wieder ein elender Leidenstag. Bald ein alles erstarren machender Winter, darauf wieder ein so heißer Sommer, daß er die ehernen Ketten noch glühender und unerträglicher macht als der totstarre Winter.

11] Mangel an Nahrung erzeugt einen Schmerz im Magen, den wir Hunger nennen, der oft bei unfruchtbaren Jahren so groß wird, daß viele daran sterben.

12] O Freunde, vergleichet dies Leben mit dem eurigen und sagt selbst, ob eure Weisheit wohl irgend Worte findet, durch die der ungeheure Vorteil des eurigen genügend bezeichnet werden könnte! Ihr sagt: 'So ein Leben ist ja kein Leben, sondern eine scheußlichste Qual nur! Wie können da Menschen bestehen und wie loben ihren Schöpfer?'

13] Ich sage euch aber, obschon eure Frage gerecht ist, daß es dort dennoch sehr viele Menschen gibt, die ihren Schöpfer desto mehr lieben und loben, je ärger es ihnen geht! - Was meint ihr denn dazu?

14] Ihr sagt: 'Freund, das ist unmöglich! Wie kann ein über alles guter Schöpfer irgendwo Seinen Geschöpfen so Arges geben und verlangen, daß sie Ihn dafür noch loben und lieben sollen? Wahrlich, da haben die armen Bewohner der Erde noch nie ihren rechten Schöpfer erkannt! Oder erkennen sie Ihn, da sind sie Narren, so sie Ihm für so ein Leben danken oder Ihn gar noch lieben dazu!'

15] Auch diese eure Gegenfrage ist zufolge eures so endlos bevorzugten Lebens gerecht. Aber was sagt ihr dann dazu, daß der Schöpfer den Menschen meines Planeten sogar die schärfsten ewigen Strafen im Feuer der Hölle zur sicheren Folge gesetzt hat, so sie Ihn bei allen Qualen ihres irdischen Lebens nicht über alles lieben, ihre Feinde und Quäler nicht segnen, für die nicht beten, die ihnen fluchen! Und so sie Gott, dem Schöpfer, nicht für alles, was Er ihnen an Wohl oder Wehe gibt, aus all ihren Kräften, die ihnen bei all den Martern noch übrigbleiben, dankbar sind? - Sagt, was dünkt euch da?

16] Wie gefällt euch, daß der Herr auf jenem Planeten gerade diejenigen am schärfsten züchtigt, die Ihm am meisten von ganzer Seele zugetan sind? Und daß sich Seine barsten Verächter oft und fast meistens im besten Wohlstande befinden, d. h. was man auf meiner Welt 'Wohlstand' nennt, der freilich mit dem eurigen nicht zu vergleichen ist?

17] O redet, Freunde, gebt mir kund euer Urteil, ihr Glücklichsten! Ihr seid förmlich stumm! Ich muß euch schon noch mehreres sagen, daß ihr dann desto leichter ein volles Urteil schöpfen könnt. So hört:

18] Ich brauche euch nicht allzeit euren herrlichsten Zustand zu schildern um dagegen den elendsten meiner Welt recht leuchtend vor eure Augen zu stellen. Ich weiß es, daß ihr den euren ohnehin viel besser kennt als ich. Aber ich will euch dafür den Zustand meiner Welt desto klarer vor Augen stellen und mich etwas weitwendiger fassen. Ihr werdet mit eurer gediegensten Weisheit und euren schärfsten Blicken dann schon von selbst leicht zu beurteilen imstande sein, wie die Bewohner meiner Erde zuständlich sich zu euch verhalten. Da ihr über das, was ich euch bis nun mitteilte, schon nahezu atemlos dasteht, bin ich wahrlich neugierig, was ihr zu dem sagen werdet, was ich euch nun weiter mitteilen werde!

19] Ich habe euch schon ehedem gesagt, daß meine Welt durchaus sehr hart ist, natürlich wie geistig oder moralisch. Nur mittels schwerster, alle Kräfte anstrengender Arbeit kann ihrem Boden Nahrung abgewonnen werden. Bevor man aber mit Erfolg arbeiten kann, muß man sich noch tausend Werkzeuge anfertigen, mit deren Hilfe man dem harten Boden der Erde etwas abgewinnen kann.

20] Nun haben sich mit der höchst veränderlichen Zeitenfolge die Dinge und Verhältnisse auf meiner Welt unter den Menschen so gestaltet, daß da nur der wenigste Teil der Menschen eigenen Grund und Boden besitzt, der bei weitem größte Teil hat nichts und muß dem besitzenden Teile um schlechten Sold und nicht selten um die allermagerste Kost einen puren Sklaven machen.





21] Gar viele dieser Besitzer scharren oft viele tausend Male mehr zusammen, als sie und ihre Kinder in tausend Jahren verzehren könnten.

22] Nun kommt aber der harte, alles erstarrende Winter. Für diesen haben reiche Besitzer gute Häuser und wohlvermachte Gemächer, die sie mittels eines künstlich erzeugten Feuers recht angenehm erwärmen können, und haben in solchen Gemächern warme und weiche Betten zum Ruhen.

23] Aber die übervielen besitzlosen Armen müssen mit schlechter Bekleidung und nicht selten hungrig, krank und elend in den schlechtesten Löchern ihr Leben zubringen. Und wenn es ihnen nicht selten auch schon so schlecht geht, daß sie häufig zu Tausenden verhungern und verzweifeln müssen, so lassen sich darum die reichen Besitzer dennoch kein graues Sorgenhaar wachsen. Sie sehen ganz behaglich zu und sagen: 'Es ist wohl gut, daß solch ein überflüssiges Bettelgesindel verendet und wir von ihm nicht so sehr gequält und belästigt werden!'


24] Aber ebensolche Not, die diese Reichen am meisten bei den Armen bewirken, benützen sie dann noch mehr zu ihrem Besten: sie wuchern unmenschlich mit den in großen Massen aufgeschichteten Lebensmitteln. Wer ihnen nicht das gibt oder nicht geben kann, was sie verlangen, kann vor ihrer Tür verhungern, und sie werden darum nicht um ein Haar weicher in ihrem Herzen!

25] So himmelschreiend ungerecht aber auch eine solche Sache ist, tut aber der Schöpfer dennoch sozusagen nichts dabei. Die Tage und Nächte wechseln regelmäßig. Der Regen fällt und segnet die Felder der Reichen mehr denn die der Armen, die nicht so viele Mittel haben, ihre magersten Anteile nach Erfordernis zu bestellen. Die Fruchtbäume der Reichen strotzen meistens vom Segen, während die der Armen nicht selten verkümmert, halbverdorrt und fruchtlos dastehen. Die harten Reichen haben alles im Überflusse, während die Armen oft in kaum beschreiblichem Elend zugrunde gehen!

26] Wie gesagt, solch ein himmelschreiendes, höllisches Treiben wird vom Schöpfer mit einer solchen Gleichgültigkeit nicht selten viele Jahre lang geduldet, als wenn das gar nichts wäre. Und wenn Er schon dann und wann - freilich nur vermutlich durch blutige Tränenbitten der Armen erweicht - etwa ein Gericht über die Erde sendet, das aber nur den Schein hat, als käme es von Ihm, so trifft dann solch ein Gericht wieder hauptsächlich nur die Armen und Schwachen. Die Reichen kommen gewöhnlich zumeist mit heiler Haut davon und manche werden während eines solchen Gerichts nur reicher und irdisch glücklicher.

27] Kommt ein Krieg, da müssen für die Reichen zumeist die armen Nichtsbesitzer auf dem Schlachtfeld sich totschlagen lassen, wofür sie nichts als einen kargsten Sold bekommen. Dafür aber wird dann den Reichen ihr Besitz wieder gesichert. Und so die Armen dann vom Schlachtfelde heimkehren - oft ganz verstümmelt, mit einem Fuß, mit einer Hand und mit tausend Wundnarben -, da müssen sie betteln um ein elendes Stück Brot. Kommen sie vor die Tür eines Reichen, werden sie nicht selten wie ein gemeinstes Tier hinweggeschafft, bekommen oft die ruchlosesten Schmähworte und werden davongetrieben!


28] Seht, dennoch dürfen sie nichts Übles wünschen solchen reichen Übeltätern, sondern sollen sie noch segnen und ihren Peinigern von ganzem Herzen vergeben, ansonsten sie noch von Gott aus der ewigen Höllenstrafe verfallen können!

29] Wie es aber mit dem Kriege als einem Gottesgericht aussieht, das da allzeit die ohnehin Elendsten am härtesten trifft, ebenso ist es auch mit allen andern Gerichten der Fall. Die Armen und Elenden trifft jedes am stärksten, während die herz- und gefühllosen Reichen und Glücklichen zumeist mit heiler Haut davonkommen.


30] Dennoch sind es zumeist nur die Armen, die an dem Herrn hängen, an Ihn glauben und zu Ihm beten, so gut sie es können. Die glücklichen Reichen aber haben selten kaum einen halben Glauben, meistens wohl gar keinen. Sie hegen in ihren steinfesten Herzen wohl sehr wenig Liebe zu Gott, beten wenig oder gar nicht und erlauben sich nicht selten, Ihn samt Seinem Gesetze schmählichst zu verhöhnen.

31] Ein Stück Goldes, ein gutes Essen und eine junge geile Dirne, mit der sie die schändlichste Unzucht treiben können, ist ihnen um tausend Male lieber als Gott, der für sie so gut wie keiner ist, und viel tausend Male lieber als jene, die im Schweiße ihres Angesichtes für sie die schwersten Arbeiten verrichten und mit ihrem armen Leben für ihre Sicherheit Wache halten Tag und Nacht und Sommer und Winter.

32] Aber bei ihrer vollen Gottlosigkeit sind sie irdisch glücklich und werden nie durch die Armen, sondern nur durch ihresgleichen manchmal in ihrem Überflusse beeinträchtigt. Aber selbst als Unglückliche befinden sich die Reichen gewöhnlich noch um tausendmal besser als die glücklichsten Armen, die außer Elend nie etwas besessen haben.

33] Freunde, was sagt ihr dazu? Wie gefällt euch dieses Leben eines Menschen auf jenem Sterne, den ihr gemeinhin den 'heiligen' nennt?«

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